Zurueck in die Nacht
überhaupt
schlief, wurde ich von Alpträumen geplagt, in denen stets Arik die Hauptrolle
spielte und die nie ein gutes Ende nahmen. Auch wenn es um mich herum langsam
Sommer und somit immer heller und wärmer wurde, merkte ich nichts davon.
Bis mich eines
Tages eine überraschende Begegnung aus meiner Depression riss.
Es war in der
großen Pause. Ich saß wie immer allein auf einer der Bänke im hintersten Winkel
des Schulhofs, dort, wo sich eigentlich nie jemand hin verirrte, meine
Ohrstöpsel in den Ohren, die Musik voll aufgedreht, und war in meine düsteren
Gedanken versunken, als ich plötzlich aus dem Augenwinkel eine Bewegung
wahrnahm. (Das war an sich schon erstaunlich, denn eigentlich nahm ich
überhaupt nichts mehr von dem wahr, was um mich herum vorging.) Vorübergehend
aus meiner Versenkung gerissen, blickte ich in die Richtung, in der ich die
Bewegung bemerkt hatte. Dort, auf der anderen Seite des Zauns, der den Schulhof
von der benachbarten Straße trennte, stand ein Junge.
Im ersten
Augenblick machte mein Herz einen Sprung. Ich sah helle Haut, schwarze,
stoppelige Haare… Doch gleich darauf erkannte ich meinen Irrtum und die
Enttäuschung traf mich bleischwer. Denn dass das dort nicht Arik war, konnte
ich jetzt sogar aus der Entfernung sehen. Die Sonne musste mich geblendet
haben, denn der Unbekannte hatte dunkle, fast schwarze Haut und blonde,
hochstehende Haare – das genaue Gegenteil von Arik.
In diesem Moment
drehte er plötzlich den Kopf und blickte direkt in meine Richtung. Schnell
wandte ich meine Augen ab. Aber nicht schnell genug. Denn im letzten Augenblick
traf sein Blick den meinen, und ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht
schoss. Instinktiv sprang ich auf und verließ fast fluchtartig meinen
Zufluchtsort. Doch noch im Weggehen meinte ich fast körperlich zu spüren, wie
sich sein Blick in meinen Rücken bohrte.
In den folgenden
Tagen glaubte ich zwei- oder dreimal, den Fremden wiederzusehen, aber jedes
Mal, wenn ich genauer hinsah, war er es doch nicht. Wahrscheinlich entsprangen
diese vermeintlichen Begegnungen sowieso nur meinem verzweifelten Wunsch,
wenigstens irgendein „bekanntes“ Gesicht zu sehen – wenn schon nicht das von
Arik, dann wenigstens dieses.
Ich fiel immer
tiefer in meine Depression, so tief, dass schließlich sogar meine Mutter merkte,
dass es mir nicht gut ging. Und das will schon was heißen, denn normalerweise
war die einzige Person auf der Welt, für die sie sich interessierte, sie
selbst. Und möglicherweise noch Phil. Ich jedenfalls gehörte eigentlich nicht
zu diesem auserwählten Personenkreis. Es musste mir also wirklich sehrschlecht
gehen.
„Clarissa,
Schätzchen, sag mal, ist eigentlich alles bei dir in Ordnung?“ Mit dieser Frage
warf sie mich völlig aus der Bahn, als ich mal wieder brütend in meinem Zimmer
hockte und auf den Bildschirm meines Laptops starrte. Ich zuckte zusammen, denn
ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich meine Tür einen Spalt breit aufgelassen
hatte und so für Vorübergehende – in diesem Fall meine Mutter – gut sichtbar
war.
„Ja, wieso?“,
versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen, aber offenbar hatte ich einen
wirklich seltenen Moment erwischt, denn sie ließ sich nicht abwimmeln.
„Naja, du siehst
so bedrückt aus in letzter Zeit. Da dachte ich…“
„Nein, alles ist
gut“, unterbrach ich sie brüsk. „Bestens.“ Das fehlte mir noch, dass ich meiner
Mutter mein Herz ausschüttete. Ihre Ratschläge konnte ich mir lebhaft
vorstellen – sie, die Königin der Herzensbrecher, hätte bestimmt vollstes
Verständnis dafür, dass ihre Tochter ihrem untreuen Ex hinterher trauerte, der
sie ohne ein Wort sitzengelassen hatte. Nein danke, darauf konnte ich wirklich
verzichten.
Vorübergehend
schien ich sie zum Schweigen gebracht zu haben, aber mir war klar, dass ich
dringend etwas unternehmen musste, um weiteren unangenehmen Nachforschungen zu
entgehen. Deshalb klappte ich kurz entschlossen meinen Laptop zu, sprang auf
und schnappte mir meinen Rucksack.
„Äh… Wo willst
du denn hin?“, entfuhr es meiner Mutter, die von meinem plötzlichen Aufbruch
verständlicherweise überrumpelt war.
„Ich… muss los“,
stieß ich hervor, fieberhaft nach einer Entschuldigung suchend. „Hab’ noch eine…
äh… Verabredung.“
Eine blödere
Ausrede hätte ich mir kaum einfallen lassen können. Jeder, der mich kannte,
wusste, dass das total unwahrscheinlich war. Aber Amanda schluckte es ohne zu
zögern. Sie
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