Zurück in die Zwischenwelt (German Edition)
hinterher – ich gebe nicht sofort auf!“, sagte ich entschlossen.
„Vielleicht ist er gestorben“, flüsterte Mona.
Ich ignorierte ihre Schlussfolgerung und schaute zum kahlen Berg, wo David bereits hinter einer Kurve verschwunden war. Es gab nur einen spiralförmig verlaufenden Weg um den Berg herum, um ihn zu besteigen, der teilweise ein einfach begehbarer Weg war, teilweise aber auch nur aus einzelnen aus dem Fels heraustretenden Tritten bestand. Ich fing an, zu laufen.
„Warte!“, rief Mona, „wir kommen auch!“
Ich drehte mich um und blickte auf meinen Sohn Rob. Er schien kleiner geworden zu sein.
„Bist du geschrumpft?“, fragte ich ihn und er schaute mich verdutzt an. „Schnell! Gehen wir weiter!“, sagte ich dann. Ich war dermaßen durcheinander, dass ich die Information seiner Schrumpfung zwar zur Kenntnis nahm, eine Analyse dieser Tatsache aber auf später verschob.
Im Eiltempo schritten wir das steile Massiv hinauf, aber wir mussten immer wieder anhalten. Es kamen uns zahlreiche Leute entgegen: Erwachsene und auch Kinder. Da der Weg an einigen Stellen sehr schmal war, musste man langsam aneinander vorbeigehen. Insbesondere bei den Tritten, die in den Fels geschlagen waren, war Vorsicht geboten: Dort durfte nur eine Person auf einmal durch. Mir kam es vor wie auf dem Mount Everest, wo man Schlange stehen musste.
Ich befand mich an einer breiteren Stelle des Pfades und wollte gerade den Fuß auf die ersten Stufen einer Treppe stellen, als ich von weiter oben die Stimme eines Kindes hörte, das mich freundlich bat, ihm den Vortritt zu lassen. Ich schaute hinauf und sah einen Jungen und ein Mädchen Hand in Hand an einem Felsvorsprung stehen. Vor ihren Füßen befand sich die Felstreppe. Sie machten einen sehr glücklichen Eindruck auf mich, was mich gutmütig stimmte, sodass ich einwilligte und ihnen den Vortritt ließ.
Die beiden Kinder stiegen hintereinander die Treppe hinunter. Sie schienen gute Freunde zu sein und hatten es offenbar recht lustig miteinander. Als sie an mir vorbeiliefen, bedankten sie sich herzlich und ich fragte sie, wo sie hingingen.
„Wir gehen wieder runter zum Fluss, spielen. Wir haben beschlossen, noch eine Weile hier zu bleiben. Tschüss.“ Und schon waren sie weitergegangen.
Als ich meinen Fuß wieder auf die erste Treppenstufe platzieren wollte, fühlte ich plötzlich ein Regen von Kieselsteinen vom Himmel fallen. Ich packte Robs und Monas Arm und riss sie unter einen Felsvorsprung.
„Ein Steinschlag?“, fragte ich alarmiert.
„Nein“, antwortete Mona und trat wieder unter den offenen Himmel. „Jemand geht.“
Mona schien sich zu amüsieren. Ich musterte sie und als für eine Weile nichts mehr herunterfiel, hielt ich Ausschau nach der Herkunft der Steine. Der Nebel auf dem Gipfel hatte sich ein wenig gelichtet und ich bemerkte, dass die bisher unsichtbare „Spitze“ des Berges flach wie eine Terrasse zu sein schien. Zwei kleine Silhouetten waren zu erkennen: Dort oben standen zwei Menschen an der Kante und schauten hinunter – dann sprangen sie!
„Neeeeeeeeein!“, schrie ich aufgewühlt, während sie in den Wolken verschwanden.
„Sie sind gegangen“, sagte Mona ruhig.
Ich stürzte mich auf die Treppe und hastete die Tritte hinauf, als ob es noch möglich gewesen wäre, etwas dagegen zu unternehmen – aber sie waren ja schon gesprungen. Ich rannte regelrecht den Berg hinauf und versuchte, jeden zweiten Tritt zu erwischen. Den letzten Tritt verfehlte ich und traf mit meinem Knie genau auf die Kante. Ein heftiger Schmerz durchwühlte mein Bein, aber es gelang mir, ihn zu ignorieren. Ich schaute zurück: Rob schien noch kleiner geworden zu sein, zusammen mit Mona war er nun weit hinter mir.
„Ich warte oben auf euch!“, schrie ich hinunter.
Das letzte Stück Weg hatte keine Tritte, war aber sehr steil und in dichten Nebel gehüllt. Durch den Kies rutschte ich immer wieder nach unten ab und meine Füße schmerzten. Ich fragte mich, bis zu welchem Steigungsgrad es mir noch möglich wäre, aufrecht zu gehen. Irgendwann würde ich zweifellos unaufhaltsam rückwärts rutschen, denn der Weg wurde immer steiler. Also begann ich, mich an den seitlichen Felsen festzuhalten.
Ich war in meine Gedanken vertieft und bemüht, den Halt und das Gleichgewicht nicht zu verlieren, wobei ich ständig schaute, wohin ich meine Füße setzte, als ich plötzlich den Drang verspürte, wieder hinaufzuschauen – als ob es mich gerufen hätte. Vor mir ragte ein
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