Zurück in Virgin River (German Edition)
hatte, aber wenn der Junge in dem Auto einen Abhang runterstürzen würde, täte es Dan doch leid, dass er ihn zum Fahren überredet hatte.
Dan sammelte Beinprothese und Schuhe ein und hüpfte in Richtung Bar. Jack kam ihm schon entgegen, um ihn unterzuhaken.
„Das war ja abgefahren“, meinte Jack. „Du solltest zum Zirkus gehen. Du hast echt akrobatisches Talent.“
„Ich trainiere mein Gleichgewicht, wann immer es geht.“
„Wo hast du Rick mit deinem Wagen hingeschickt?“, fragte Jack.
„Ich habe ihm gesagt, dass er Liz hinterherfahren und sie um Verzeihung bitten soll.“
„Und wenn sie wieder zu streiten anfangen?“
„Ach, mach dir keine Sorgen. Sie weiß, wie man mit ihm umgehen muss. Und jetzt brauche ich ein Badezimmer oder einen anderen Rückzugsraum, wo ich mich wieder zusammensetzen kann. Ich wollte mich Hope nicht in Unterhosen präsentieren.“
Mit der Behauptung, zu wissen, wohin Liz gefahren war, hatte Rick gelogen. Sie konnte sich an vielen Orten aufhalten. Dazu gehörte auch ihr Zuhause in Eureka. Während Rick die Stadt hinter sich ließ, dachte er kurz darüber nach, dass er vermutlich noch nicht so weit war, auf den Freeway zu fahren. Er war noch nicht mal so weit, auf den einfachen Bergstraßen zu fahren, die er schon sein ganzes Leben kannte. Rick raste nicht und bremste vorsichtig vor den Kurven ab. Fast hätte er vergessen, nach Liz Ausschau zu halten, weil er so damit beschäftigt war, das Fahrenneu zu erlernen.
Allerdings stellte sich das Autofahren bald als unproblematisch heraus. Die ersten Minuten trat er noch etwas ruppig auf Gas und Bremse, aber das gab sich rasch auf dem Weg zur Valley High. Eigentlich bezweifelte er, dass Liz dort war. Doch er wollte noch ein bisschen auf dem Schulparkplatz üben, um sicher zu sein, dass er nicht im Graben landen würde.
Nachdem er zwanzig Minuten lang mit dem Autofahren herumexperimentiert hatte, entschied er sich, nun ernsthaft nach Liz zu suchen, aber nicht, weil Dan es ihm geraten hatte. Als Liz weggelaufen war, hatte Rick schon gewusst, dass er aus der Sache nicht so leicht herauskommen würde, wie er es sich vorgestellt hatte. Es gab nur zwei Optionen. Entweder er musste sich mit dem Bein und seinem Leben anfreunden oder er musste irgendwohin ziehen, wo er für immer alleine leben würde. Irgendwohin, wo ihn niemand an die schlimmen Erfahrungen und Verluste erinnern würde. Beim Gedanken an Option Nummer eins schossen ihm die Tränen in die Augen. Doch wenn er sich vorstellte, für immer alleine leben zu müssen, zog es ihm innerhalb von Sekunden die Kehle zu und er bekam keine Luft mehr.
Rick steuerte eine Stelle im Wald an, wo sie sich immer getroffen hatten, aber Fehlanzeige. Dann fuhr er durch die Weinberge ins Tal hinunter und überholte ein paar große LKWs. Ein waghalsiges Manöver für einen einbeinigen Fahrer. Die Sonne versank im Westen bereits hinter den Bergen. Er würde das Auto bald zurückgeben müssen. Dieser durchgedrehte Schwachkopf lieh ihm einfach seinen Campingwagen! Hatte er denn keine Angst, dass Rick damit abhauen könnte?
Eine Zeit lang fuhr er eher ziellos durch die Gegend und fragte sich, wie dieser Typ es geschafft hatte, dass niemand seine Amputation bemerkt hatte. Vielleicht hatten die anderen es auch gewusst. Alle. Bis auf Rick, der die ganze Zeit nur mit seinen eigenen Problemen beschäftigt gewesen war. Die Freiheit des Autofahrens brachte Rick dazu, sich einmal einige Fragen zu stellen. Zum Beispiel, ob er wirklich erwartet hatte, dass Jack ihn für denRest seines Leben überall hinkutschierte. Zu den ersten Dingen, die man ihm bei der Physiotherapie geraten hatte, gehörte eine Stange, die man sich im Badezimmer installieren lassen sollte, um sich jederzeit alleine abstützen zu können. Höchste Zeit, sich endlich einmal darum zu kümmern. Rick war schon zweimal gestürzt und hatte sich schon oft auf dem Rand der Wanne sitzend geduscht. Er hasste Badewannen.
Rick rechnete nicht wirklich damit, Liz zu finden. Er würde später, vielleicht am Abend oder auch erst Morgen in den Laden gehen und mit ihr reden müssen. Oder falls das nicht klappte, würde er Jack bitten, ihn nach Eureka zu fahren, oder sich Jacks Wagen ausleihen. Rick hatte zwar keine Ahnung, was er Liz sagen wollte, aber …
Würde er wieder arbeiten? Zur Schule gehen? Jagen? Angeln? Liz’ Ausspruch, dass sie sich wünschte, sie wäre tot , hatte ihn ganz schön geschockt und mitgenommen.
Rick dachte zurück. Weit zurück,
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