Zurueck ins Glueck
kämpfen musst, schmeckt es hinterher umso süßer, nicht wahr?«
Samantha lächelte unsicher. Sie wusste nicht genau, was er ihr mit dieser Bemerkung zu verstehen geben wollte.
»Diese Bergkette dort drüben«, er deutete in die Ferne, »das ist die Sierra de Cantabira, sie schützt die Reben vor dem Wind und dem Regen vom Atlantik.«
»Rebe müsste man sein«, lachte Samantha. Pablo hob die Schultern.
»Nun, sie beschützt auch uns vor diesen unangenehmen Winden. Solange du hier bist, bist du sicher – vor Wind und Wetter und auch sonst.«
Samantha spürte, dass sie kurz davorstand, schon wieder in Tränen auszubrechen. In ihrer völlig aus den Fugen geratenen Welt war er ein Fels in der Brandung, eine Quelle des Trostes für sie. Ihre Hand stahl sich in die seine.
»Ich fühle mich hier sehr wohl – und sicher, Pablo. Es war lieb von dir, mich aufzunehmen.«
»Bitte?« Er sah sie ungläubig an, dann zog er wieder die Brauen hoch, bis sie unter seiner Kappe verschwanden. »Du bist meine Tochter, mein Fleisch und Blut. Ich bin sehr glücklich, dass du hier bist!« Er küsste sie sacht auf die Stirn. »Und jetzt komm und schau dir meine kleinen Schönheiten an.« Er zog ein Gerät aus der Gesäßtasche, das wie eine Heckenschere aussah. »Das sind corquetes «, erklärte er. »Damit schneiden wir die Trauben von den Reben. Das Holz ist ziemlich hart.« Er griff nach Samanthas Hand und begutachtete ihre Handfläche, dann schüttelte er gespielt betrübt den Kopf. »Ich glaube nicht, dass du uns bei der Ernte eine große Hilfe sein wirst. Du hast so weiche Hände wie ein Baby«, stellte er fest.
Samantha beschloss, die Bemerkung als Kompliment zu werten. »Ich könnte ja Handschuhe tragen«, gab sie zurück.
»Wir werden sehen.« Er blinzelte ihr zu. »So, und jetzt pass gut auf, der Unterricht beginnt.« Er trat zu einem der Rebstöcke und sprach leise auf Spanisch auf die Pflanze ein, während er behutsam ein paar Blätter umdrehte
und sie untersuchte. Dann betastete er die großen, saftigen Früchte, bevor er seine corquetes zückte und ein Büschel abschnitt. Samantha hätte schwören können, dass er sich bei der Rebe bedankte, bevor er weiterging. »Diese Sorte heißt Tempranillo.« Er hielt die Trauben in die Höhe. »Siehst du, wie dunkel die Früchte sind?« Er pflückte eine Traube ab. »Probier sie«, befahl er.
Die sonnendurchtränkte Traube löste eine wahre Geschmacksexplosion in Samanthas Mund aus.
»Tempranillo-Trauben werden in La Rioja am häufigsten angebaut«, dozierte Pablo. »Sie ergeben einen sehr spritzigen jungen Wein. Und im Alter werden sie immer besser.« Er grinste breit. »So wie ich.«
Samantha bemühte sich, sich alle Einzelheiten einzuprägen. Langsam schlenderten sie zwischen den Reben hindurch. Ab und zu blieb Pablo stehen, um mit einer der Pflanzen zu sprechen oder über ihre Blätter zu streichen. Er erklärte, dass er und viele andere der kleinen bodegueros – der hiesigen Weinbauern – die großen Bodegas mit Trauben belieferten. Er kelterte seinen Wein nicht selbst, der Aufwand war ihm zu groß, außerdem galt sein Interesse ausschließlich den Reben. Er liebte die Pflanzen, als wären es seine Kinder, und jedermann wusste, wie er stolz verkündete, dass Pablo Garcias Reben die besten in der ganzen Rioja waren. Nachdem sie ein paar Reihen abgeschritten hatten, blieb er erneut stehen. »Siehst du, dass das hier eine andere Sorte ist?«
Samantha runzelte verwirrt die Stirn. Für sie sahen die Trauben genauso aus wie die, die er ihr vorher gezeigt hatte, trotzdem nickte sie.
»Das sind Marzuelos.« Pablo knipste einen Zweig ab. »Sie produzieren eine sehr gute Gerbsäure, und sie sind
wilder als die Tempranillos. Unzähmbar und unberechenbar wie eine Frau.« Er lachte über seinen eigenen Scherz, dann gab er ihr ein paar Trauben. Samantha probierte sie und stellte erstaunt fest, dass sie sich im Geschmack tatsächlich von den anderen unterschieden und überdies etwas kleiner und eine Spur dunkler gefärbt waren.
»Jetzt erkenne ich den Unterschied«, gab sie zu.
»Du kannst ihn schmecken, aber du kannst ihn auch riechen.« Pablo hielt sich das Traubenbüschel unter die Nase und sog den Duft in tiefen Zügen ein. Samantha tat es ihm nach, obwohl sie sich ein wenig lächerlich dabei vorkam.
»Sie sind fast reif für die Ernte«, sagte Pablo mehr zu sich als zu ihr. »Bald ist es so weit.«
»Heuerst du für die Ernte Hilfskräfte an?«
»Ich habe Pedro. Wir
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