Zurueck ins Glueck
eingebracht, die schwerste Arbeit lag hinter ihnen, und dann wurden Pablos Trauben zum zehnten Mal in Folge als die besten in der ganzen Region ausgezeichnet, was sie mit einer ausgelassenen Party feierten. Sowohl Samantha als auch ihr ›Cousin‹ sprachen dem Wein reichlich zu, woraufhin sie zu seiner Erheiterung begann, ihn ›Cuz‹ zu nennen. Ihr Spanisch verbesserte sich täglich, und hätte nicht die dunkle Wolke eines nahenden Todesfalles bedrohlich über dem Haus gehangen, dann wären seine drei Bewohner vollkommen zufrieden mit sich und der Welt gewesen.
Pedro hatte Samantha mittlerweile ein paar Reitstunden
gegeben, und sie stellte fest, dass sie diese Kunst nie richtig verlernt hatte. Gemeinsam unternahmen sie lange Ausritte, galoppierten um die Wette oder ritten einfach nur stundenlang im Schritttempo nebeneinanderher und unterhielten sich über alles, was ihnen gerade in den Sinn kam. Nach und nach lernte Samantha einen Teil der Einheimischen kennen und nickte ihnen freundlich zu, wenn sie ihr und Pedro grüßend zuwinkten. Aber sie überlegte nie, wie sie beide auf Außenstehende wirken mussten; sie ahnte nicht, was für ein schönes Paar sie abgaben – er groß und muskulös mit einer fast bis auf die Schulter fallenden Mähne glatten dunklen Haares, sie schlank und schmal mit über den Rücken fließenden blonden Locken. Beide ritten sie prachtvolle andalusische Schimmel, einen mächtigen Hengst und eine etwas zierlichere Stute. Die Pferde passten perfekt zusammen, wieso nicht auch die Reiter, mochte sich manch ein unbeteiligter Beobachter denken. Samantha jedoch wies jeden in diese Richtung gehenden Gedanken weit von sich. Sie brachte dem Mann, den sie einst als ungehobelten Klotz bezeichnet hatte, inzwischen aufrichtige Zuneigung entgegen; sie wusste ja jetzt, dass er ohne jeglichen weiblichen Einfluss aufgewachsen war. Umso verwunderlicher fand sie es, wie sanft und einfühlsam er war – man musste ihn nur näher kennen. Aber sie rief sich immer wieder mahnend ins Gedächtnis, dass sie in den Augen der Bewohner von Haro eng miteinander verwandt waren und darauf Rücksicht nehmen mussten. Für sie kam Pablo an erster Stelle. Er war der Grund, weshalb sie noch in Spanien war. Dass sie seit einiger Zeit so gut mit Pedro auskam, wirkte sich positiv auf seine Gesundheit aus, wie Samantha feststellte. Die harmonische Stimmung im Haus tat ihm gut,
seine Lebensgeister hoben sich sichtlich, und sie war ängstlich darauf bedacht, alle Unannehmlichkeiten von ihm fernzuhalten.
Eines Tages kam sie nach Hause und fand zu ihrer Überraschung auf ihrem Handy eine Nachricht von Mrs. Judge vor – zum Glück nicht von Rose, sondern von Granny Vic. Da sie die ältere Frau im Gegensatz zu der jüngeren wirklich ins Herz geschlossen hatte, rief sie sofort zurück.
»Samantha, wie schön, dass du dich so schnell meldest«, begrüßte die alte Frau sie.
Samantha musste lächeln. Sie freute sich, nach all diesen Wochen von Granny Vic zu hören, aber sie wurde dadurch zugleich auch daran erinnert, wie gebrechlich Pablo geworden war. Die Stimme der Vierundneunzigjährigen klang wesentlich vitaler und energiegeladener als die ihres Vaters, obwohl dieser fast dreißig Jahre jünger sein musste.
»Liebes, ich rufe dich an, um dich um einen großen Gefallen zu bitten«, fuhr Granny Vic fort.
»Was hast du denn auf dem Herzen?«
»Nun ja, Rose hat es sich in den Kopf gesetzt, mich Ende November mit einer großen Geburtstagsparty zu beglücken, und zu der würde ich dich gern einladen.«
»Ich bin in Spanien, Victoria«, erinnerte Samantha sie.
»Ich weiß, Kindchen, aber ich hätte dich wirklich gern dabei. Immerhin bist du meine Enkelin, und ich werde stolze fünfundneunzig. Kaum zu glauben, nicht wahr? Wo ist bloß die Zeit geblieben?« Sie kicherte leise.
Hat James etwa der ganzen Familie brühwarm erzählt, dass ich seine Tochter bin, dachte Samantha bestürzt.
Aber wenigstens stand Victoria eindeutig auf ihrer Seite. Sie brannte darauf, der alten Dame ein paar Fragen zu stellen, mochte dies aber nicht am Telefon tun. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, für ein paar Tage nach Irland zu fliegen; die Party bot ihr eine ausgezeichnete Gelegenheit, vorsichtig die veränderte Lage zu sondieren.
Pablos Zustand besserte sich tagtäglich, sie konnte ihn mit gutem Gewissen eine Woche allein lassen. Was also sprach dagegen, Granny Vics Einladung anzunehmen?
»Mach dir wegen der Familie keine Sorgen«,
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