Zurueck ins Glueck
sie Angst hatte, zu viel zu verraten.
»Schon gut – er hat mir alles über seine Pläne erzählt. Jeder Mensch muss versuchen, seine Träume zu verwirklichen. Wir haben lange darüber gesprochen, Pedro und ich.«
»Was wird er tun?«
»Wenn ich nicht mehr bin, will er das Weingut verkaufen und mit seinen Pferden nach Andalusien ziehen.«
»Was soll das heißen, wenn du nicht mehr bist? Du hast noch viele Jahre vor dir, Papa. Warum lässt du ihn nicht jetzt gleich gehen?«
Pablo schwieg einen Moment und musterte sie nachdenklich, dann fuhr er fort: »Du verstehst nicht, Sami. Das Haus und das Land gehören ihm. Nach meiner
Rückkehr aus Irland bin ich zu meiner Schwester und ihrem kleinen Sohn gezogen, weil ich kein Geld und kein Dach über dem Kopf hatte.«
Samantha meinte plötzlich, an ihren Schuldgefühlen zu ersticken. Sie war überhaupt nie auf die Idee gekommen, er könne über keine eigenen Mittel verfügen. Und sie hatte noch nicht einmal angeboten, für ihren Lebensunterhalt hier zu bezahlen!
»Ich bin wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass das Haus dir gehört«, sagte sie erschüttert. »Vor allem, weil es Casa Garcia heißt.«
»Mein Schwager hat es nach meiner Schwester benannt, als er es gekauft hat. Er hat sie sehr geliebt. Aber er ist schon im Jahr vor meiner Rückkehr gestorben, kurz nach der Geburt seines Sohnes.«
»Mein Gott, wie tragisch. Woran denn?«
Ein Schatten flog über Pablos Gesicht. »Ein dummer Autounfall – ein übler Streich des Schicksals.«
»Das tut mir leid«, murmelte Samantha.
Zum zweiten Mal, seit sie Pablo kannte, sah sie ihn seine Kappe abnehmen. Er fuhr mit einer Hand durch sein schütter werdendes Haar – eine nervöse Geste, wie sie wusste. Das Gespräch nahm ihn zu sehr mit, es brachte zu viele schmerzliche Erinnerungen zurück. Aber er fuhr aus eigenem Antrieb fort: »Nach seinem Tod brauchte Lydia Hilfe auf dem Weingut. Ich brauchte eine Unterkunft, also kamen wir überein, dass ich hierbleiben würde. Du schläfst übrigens in meinem alten Zimmer.« Er kicherte leise. Seine Stimmung schien sich wieder zu heben. »Dann wurde Lydia krank, und ich versprach ihr, Pedro wie meinen eigenen Sohn großzuziehen. Seitdem leben wir gemeinsam hier, aber Haus und Grundstück
sind auf seinen Namen eingetragen. Ich bin nur sein Gast.«
»Ich denke, du bist weit mehr als das, Papa.« Sie zögerte, dann fragte sie weich: »Woran ist deine Schwester denn gestorben? Sie muss doch noch sehr jung gewesen sein.«
Pablos Augen verdunkelten sich vor Kummer. »Sie war viel zu jung, Sami, aber der Tod ihres Mannes hat ihr das Herz gebrochen. Die Ärzte sagten, es wäre Krebs, aber ich weiß, dass sie an einem gebrochenen Herzen gestorben ist.«
Samantha konnte es nicht ertragen, ihn so voller Trauer zu sehen. »Papa, einen besseren Vater als dich hätte Pedro sich gar nicht wünschen können. Er hat wirklich Glück gehabt.«
»Trotzdem darf ich nicht die Augen vor seinem Wunsch verschließen, eine Pferdezucht zu beginnen. Ich schulde ihm Dank dafür, dass er mir meine Reben so lange gelassen hat.«
»Jetzt verstehe ich, wo dein Problem liegt.«
Pablo seufzte. Es klang resigniert und melancholisch zugleich. »Es ist kein großes Problem, Sami. Weißt du... es geht mir nicht gut.«
»Was sagst du da?«
»Ich bin krank, Sami«, wiederholte er sanft, trotzdem traf jedes Wort sie wie ein Schlag. Die furchtbare Wahrheit lag nicht in dem, was er gesagt hatte, sondern in der Art, wie er es gesagt hatte. Pablo war nicht nur krank, er war schwer krank. Samantha begann, am ganzen Leib zu zittern. Jetzt wusste sie, warum er sich so gegen einen Arztbesuch sträubte. Jetzt wusste sie, warum seine Haut so ungesund grau wirkte. Und jetzt wusste sie auch,
warum Pedro bei ihm blieb, statt nach Andalusien zu gehen und sich seinen Traum zu erfüllen.
»Was hast du?«, flüsterte sie.
»Tut das irgendetwas zur Sache?« Er zuckte die Achseln, doch dann sah er sie an und las den tiefen Schmerz in ihren Augen. Er war ihr eine ehrliche Antwort schuldig; er hatte sie zu lange im Ungewissen gelassen.
»Letztes Jahr hatte ich einen Schlaganfall, Sami.«
»O mein Gott, Papa!«
Pablo hob beschwichtigend die Hände.
»Alles halb so schlimm. Schau mich an, ich hatte Glück, ich lebe noch. Viele Männer in meinem Alter erleiden einen Schlaganfall und können danach nicht mehr laufen oder sprechen. Ich kann mein Leben noch halbwegs normal weiterleben.« Er seufzte und ließ die Schultern
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