Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
gegeben! Dabei habe ich ganz deutlich seine Stimme gehört.“
„Seine Stimme?“
Susann seufzte aus tiefster Brust – und zog es vor zu schweigen.
Obwohl die Krankenschwestern, allen voran Oberschwester Erika, rührend um sie besorgt waren, hielt Susann bald nichts mehr im Krankenhaus. Mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit drängte sie auf ihre sofortige Entlassung. Zudem hatte sie die Hoffnung fahren lassen, ihren Retter zu Gesicht zu bekommen. Mehrere Male hatte sie sich nach Doktor Stojanow erkundigt, trotzdem war er bis zu diesem Tag nicht bei ihr aufgetaucht. Und von Oberschwester Erika hörte sie lediglich, es hätte sich bisher keine Gelegenheit geboten, mit dem Arzt zu reden.
Wie immer, wenn Susann die Rede auf Angel Stojanow zu bringen versuchte, verschloss sich die ansonsten zugängliche Oberschwester. Dann fiel ihr aus heiterem Himmel ein, etwas Wichtiges vergessen zu haben, einen Termin, einen Patienten, das Essen auf dem Herd. Sie wurde nicht müde, ständig neue Vorwände zu erfinden, um das Zimmer schnellstens verlassen zu können.
Susann griff sich an den Kopf. Was bilde ich mir eigentlich ein? Dass der Herr Doktor scharf ist auf den Dank einer kleinen, farblosen und absolut unauffälligen Studentin? Dass er es ernst gemeint hatte mit seinem Gefasel von Ich-bleibe-bei-dir-und-alles-wird-gut? Was bist du doch für eine unverbesserliche Närrin! Könnte mich Mehli jetzt so sehen, hätte er mich garantiert mit einem seiner weisen Sprüche auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Versprechen, die im Sturm gemacht werden, sind bei Ruhe wieder vergessen.
Seemänner! Mitunter nervig, steckte in Mehlis Worten zugegebenermaßen mehr als lediglich ein Funke Wahrheit. Wer konnte schon mit Bestimmtheit sagen, was sie da im Traum gehört hatte? Sie sollte aufpassen, sich nicht total lächerlich zu machen. Offensichtlich hatte sie bei dem Unfall größeren Schaden genommen, als die Schwester behauptet hatte. Seit wann interessierte sie das Gerede fremder, unsichtbarer Männer? Bloß weil er eine sympathische Stimme hatte, wie blöd. Oder klang sie erotisch? Vielleicht war auch das nichts als ein Traum gewesen.
Als sie später ihre Habseligkeiten in einen Plastikbeutel stopfte, trug sie in Gedanken noch immer wortgewaltige Auseinandersetzungen mit Stojanow aus. Es irritierte sie, dass sie wütend auf den Doktor war, er zum Greifen nahe schien und sie ihn trotzdem nicht erreichen konnte. Sie schimpfte ihn einen überheblichen Ignoranten, einen Feigling und selbstherrlichen Gott in Weiß. Sie, Susann Seiler, ungefragt in ein Militärkrankenhaus zu verschleppen! Also wirklich, wenn das mal nicht als Kidnapping durchging.
Je mehr passende Titel sie für Doktor Stojanow erfand, desto mehr wurde ihre Neugierde auf diesen Unbekannten angestachelt. Er war ihr noch einige Erklärungen schuldig! Und die würde sie sich, wenn es sein musste jede einzeln, von ihm holen.
Sie wurde in ihren mordlüsternen Überlegungen gestört, als Catherine in der Tür erschien. Susann fuhr zusammen und wurde puterrot, als wären ihre Gedanken sichtbar gewesen. Sie musste sich endlich zusammenreißen. Es machte keinen Sinn, über Fragen zu grübeln, deren Antwort offenbar nur dieses Phantom namens Stojanow kannte. Sie zwang sich zu einem Lächeln, um Cat nicht die Freude zu verderben.
„Chic.“
Cat strahlte über alle vier Backen. „Findest du wirklich?“ Ihre Hand tastete über ihren Kopf, wo ein Haarreifen, der in allen Regenbogenfarben leuchtete und funkelte, die langen Strähnen zurückhielt.
„Ich meinte zwar die Stiefel, aber ja, finde ich.“
„Stell dir vor, ich habe fast zehn Minuten gebraucht, um den Reißverschluss der Jeans zu schließen. Zweihundertdreißig Gramm habe ich zugenommen!“
„ Ist ja irre! Guck mich an, es war grad mal eine Woche, aber all dieser Krempel, der sich auf irgendwie wundersame Weise angesammelt hat, erweckt fast den Eindruck, als würde ich auf Weltreise gehen. Bin nicht sicher, ob mir da nicht jemand was untergeschoben hat.“
„Damit könntest du sogar Suse Konkurrenz machen.“
„Mmmh, meinst du?“ Susann schob die Zunge in die Backe. „Suse ist unübertroffen. Und als ein auf Harmonie bedachter Mensch will ich ihr diesen Titel nicht streitig machen.“ Sie stopfte ihren Schlafanzug auf die übrig gebliebenen Süßigkeiten. „Ich hoffe, du bist mit dem Auto hier?“
Cat grinste, als hätte sie e inen Kleiderbügel quer im Mund. „Selbstverständlich. Ich und
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