Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Jungs haben gar keinen Unfall aufgenommen! Es existieren keinerlei Un terlagen dazu. Nichts! Nicht das kleinste Fitzelchen Papier, kein einziges Wort, obwohl es eine Schwerverletzte gab – mich! Und als sie hörten, aus welchem Krankenhaus ich anrufe, war es gleich vorbei. Rumms und Jalousie runter. Diese Idioten haben abgeblockt, als hätte ich die Krätze!“
    Mit einer bühnenreifen Grimasse äffte Susann den Polizisten nach, mit dem s ie am Vortag telefoniert hatte: „‚Wir sind nicht zuständig. Ich bedaure, gnädige Frau.’ Keine Auskunft. Nix! Hat einfach aufgelegt, der Knabe! Ich hatte sooo ’nen Hals! Und vor einer Stunde, kurz vor dir, war dann so ’n Schrank von einem Kerl hier und erklärte, seine Gesellschaft würde für sämtliche Schäden, Schmerzensgeld, Krankenhaustagegeld und alles, was mir noch einfällt, aufkommen. Ich soll in aller Ruhe eine Aufstellung machen und bloß ja nichts vergessen. Der sah dermaßen gefährlich aus mit seinem Gesicht wie ein Bullenbeißer und Oberarmen, dick wie ein Baumstamm, dass ich vor Schreck keinen Ton rausgebracht habe. Verrückt, was? Morgen will er mir das Geld bringen.“
    Susann senkte die Stimme und brummte im Tonfall des Fremden: „Nur Bares ist Wahres, gute Frau. Wo denken Sie hin? Doch keine Überweisung.“ Sie imi tierte ein fieses Männerlachen. „Und dabei hat er weder seinen noch den Namen seiner Gesellschaft genannt.“
    „Schöne Gesellschaft.“ Catherine verzog ungläubig das Gesicht, dachte angestrengt über Susanns Worte nach und blickte ihre Freundin dabei eine ganze Weile schweigend an. „Denkst du, er wollte dich auf den Arm nehmen?“
    „ Das wäre zweifellos ein Leichtes für diesen Muskelprotz gewesen, aber weshalb sollte er? Ich hab niemandem was getan.“
    „Es ist wirklich eigenartig, total unüblich, du hast vollkommen Recht .“
    Cat sprang von der Bettkante und wanderte vor Susann auf und ab. Aus ihrer Miene war jegliche Spur von Leichtigkeit gewi chen. „Es ist dermaßen unüblich, wie eine Normalsterbliche in ein Militärkrankenhaus einzuweisen. Oder irgendwelche Typen Marke Schwarzenegger völlig unauffällig“, ihre Finger deuteten Gänsefüßchen an, „auf den Gängen patrouillieren zu lassen und Besucherausweise mit Passfoto zu verteilen.“
    Cat kramte aus ihrer Hosentasche eine Plastikkarte hervor und hielt sie ihrer Freundin unter die Nase. „Ständig und gut sichtbar an der Kleidung zu tragen! Und es klang, wohl gemerkt, nicht nach einer Bitte. Mir ist es eiskalt den Buckel runtergelaufen. Ehrlich, wenn nicht du es wärst, die hier liegt, ich hätte freiwillig keinen Fuß in dieses Haus gesetzt. Es ist mir einfach nicht geheuer.“
    Susann nickte zustimmend. Dann jedoch schoss ihr Kopf wie ein Pfeil in die Höhe. Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen starrte sie Cat an, als wäre ihr ein Geist begegnet. „W-was? Was hast du gesagt?“
    „Was hab ich gesagt?“, wiederholte Cat verwirrt. „Was denn?“
    „M-Mi-li-tär-kran-ken-haus? Du hast … Militärkrankenhaus gesagt?“
    „Ja, klar. Wieso überrascht dich das? Du warst es doch, die mich angerufen und verkündet hat, dass du einen Unfall hattest und in dieser Klinik liegst. Und jetzt tust du, als ob du … Hat der Neurologe angedeutet, wie lange es braucht, bis dein Kurzzeitgedächtnis …“
    „Warte! Wartewartewarte! Zufällig weiß ich ganz genau, dass ich dir am Telefon gesagt habe, ich sei in der Klinik in der Buchnerstraße zu finden. Das hatte mir die Oberschwester auf meine Frage geantwortet. Heiliger Strohsack, ich hatte keinen blassen Schimmer, wo ich hier gelandet bin!“ Susann sackte in sich zusammen. „Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was für ein Krankenhaus das ist.“
    M it einem Seufzer ließ sie sich auf das Kissen zurückfallen und japste: „Ein Militärkrankenhaus. Langsam frage ich mich, was hier abgeht. Wenngleich es wiederum so einiges erklären würde. Dieses ganze umständliche Getue. Diese Heimlichkeiten. Und die Gitter vor den Fenstern im zweiten Stock. Die Lütte von Frau Wichmann ist die Einzige, die mir etwas von dem Unfall erzählt hat. Bisher konnte ich mit niemandem von den Ärzten oder Schwestern darüber reden. Entweder hat man mir widerlich schwammige Auskünfte gegeben oder aber gar keine. Als würde jemand Marionetten in der Hand halten, die einen vorgegebenen Text nachplappern. Und der Doktor, der für meine Einweisung gesorgt hat, ist wie vom Erdboden verschwunden. Als hätte es ihn nie