Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
n dem stummen Zwiegespräch der beiden bemerkt. Als er Peters durch die Tür schob, spürte er, wie der zurückprallte. Unerträglicher Gestank schlug ihnen aus der fensterlosen Zelle entgegen. Die nackte Glühbirne warf gespenstische Schatten auf ein grausiges Sammelsurium an Folterwerkzeugen. Danilo drehte sich der Magen um beim Anblick des Flaschenzuges, von dem eiserne Handfesseln herabhingen. Hatten sie Angel daran aufgehängt? Hatten sie ihn an das Andreaskreuz gebunden und geschlagen? Die Wand dahinter war über und über mit rostroter Farbe bespritzt … mit Blut. Hatte Angel … War Sina hier erschossen worden?
Er musste all seinen Mut zusammennehmen, bevor er seinen Blick auf den Fußboden richtete. Nichts hätte ihn darauf vorbereiten können – weder Sinas Andeutungen am Telefon oder Angels gequälter Schrei im Hintergrund, noch die Warnungen von Frithjof Peters. Nichts war grausamer als die Wirklichkeit, mit der er sich in dieser Sekunde konfrontiert sah.
Auf dem Betonboden lag eine zusammengekrümmte Gestalt, die mit nichts als einem zerfetzten Hemd bekleidet war. Langes, verfilztes Haar verdeckte das Gesicht, die Beine waren mit schwarzen Brandflecken übersät und der linke Unterarm lag in einem seltsamen Winkel auf dem Rücken, unnatürlich verdreht. Danilos Mund verzog sich bei der Vorstellung des Schmerzes, den ein ausgerenkter Ellbogen verursachte. Und als wäre das noch nicht genug, ragten die Enden zersplitterter Knochen aus dem Fleisch und auch die Hand war dick angeschwollen und schillerte grün und blau.
„Wieso ist das hier so kalt?“, hörte er Frithjof hinter sich fluchen. „Verdammt, es muss doch irgendwo eine Klimaanlage geben.“
Danilo fuhr herum, eine bissige Erwiderung auf den Lippen, als ihm gleichzeitig ein eisiger Schauer den Rücken hinab lief und ihm die Folgen der niedrigen Raumtemperatur für Angel bewusst wurden. Ungehalten schob er Frithjof beiseite und beugte sich vor, um Angel die Haare aus dem Gesicht zu streichen.
Hatte er wirklich gehofft, das Ganze würde sich wider alle Vernunft als Irrtum herausstellen? Dass sie nicht wegen Angel hierhergekommen waren? Dass das alles nichts als ein Albtraum war und sein heimliches Beten tatsächlich ein Wunder bewirkt hatte?
Sämtliche Hoffnungen wurden zunichte gemacht, als Danilo in das leblose, kalkweiße Gesicht blickte. Angels Augenhöhlen waren deutlich ausgeprägt, die Augäpfel selber tief eingesunken, was auf eine hochgradige Austrocknung hindeutete. Die Lippen und die Haut unter den Finger- und Fußnägeln schimmerten blau, zweifelsfrei ein Zeichen für eine starke Unterkühlung.
Danilo hatte Angst, ihn zu berühren. Er wollte Angel in seine Arme nehmen, wagte es aber nicht. Jede Berührung musste unaussprechlich schmerzhaft für ihn sein. Jede Bewegung würde eine zusätzliche Folter darstellen.
„Oh Gott, was haben sie dir bloß angetan?“ Er flüsterte es unter Tränen. „Zweiunddreißig Grad. Einunddreißig. Gott, das ist zu wenig. Viel zu wenig! Wir werden ihn …“
Angel befand sich zweifellos im Erschöpfungsstadium. Die Blutgefäße in den Extremitäten hatten sich zusammengezogen und damit die Durchblutung der äußeren Körperregionen verringert, wo das kalte Blut blieb – sofern der Patient nicht bewegt wurde. Aber das mussten sie, denn sank Angels Temperatur weiter, würde es zu einem Atem- und Kreislaufstillstand infolge von Herzrhythmusstörungen kommen.
„ Wie kann man einem Menschen so etwas antun? Warum?“
„ Eigentlich solltest du doch derjenige von uns beiden sein, der eine Antwort darauf weiß“, stieß Danilo aufgebracht hervor. „Angel ist einer von deinen Leuten. Und deswegen wirst du diese Mörder finden! Das bist du ihm schuldig. Schwöre mir, dass du sie findest! Deinetwegen … dir verdankt er … Oh Scheiße!“
Niemand hätte Angel, der um mehr als zwei Jahre gealtert schien, erkannt. Vor ihnen lag ein alter Mann mit fast völlig ergrautem Haar. Sein Gesicht glich einem Totenschädel, unter der wächsernen Haut hoben sich überdeutlich die Wangenknochen und Kiefer ab, der gesamte Körper war übersät mit Narben und offenen Wunden. In den Armbeugen waren unzählige Einstichwunden und Blutergüsse zu sehen und unter der Haut eines Oberschenkels steckte noch ein Stück Kupferdraht.
Danilos Zähne knirschten. Er trat einen Schritt vor und ließ sich auf die Knie sinken. „Strom“, stammelte er. „Das sind … Strommarken an den Oberschenkeln. Und seine Hand und der Arm
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