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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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begann er auf die Zwischenräume dazwischen zu lauschen und zu hoffen, sie würden nur ein klein wenig größer werden. Und danach noch etwas größer, bis der nächste Herzschlag gar nicht mehr kommen würde. Und tatsächlich verlangsamte sich sein Herz und sogar der Schmerz ließ nach.
    „Lass mich jetzt nicht im Stich, Angel! Halte durch!“
    Und wieder schrie er seinen stummen Protest aus sich hinaus und verlor fast den Verstand darüber, dass ihn niemand verstand. Sie sollten aufhören! Er wollte nicht durchhalten! Er wollte weg aus seinem zerstörten Körper, denn es tat weh, am Leben zu sein. Gleich würde er in die Geborgenheit und Wärme des Todes hinab sinken. Er hörte das Geräusch seines Atems leiser werden und wusste, dass er starb. Er lächelte, als er mühelos aus seinem Körper glitt.
    „Atemstillstand!“
    Wenn man die Welt verlässt, sieht man sie viel klarer, dachte er überrascht. Es ist, als hätte man etwas verloren, einen Schlüssel oder einen Regenschirm, man hat dieses Ding ganz deutlich vor Augen, ohne es sehen zu müssen.
    Er hatte es beinahe schon geschafft, sich in den Schutz der Dunkelheit zurückzuziehen, als jemand anfing, ihm auf die Brust zu hämmern. Die Schmerzen kehrten wieder und brannten in seiner Kehle. Er versuchte Luft zu holen und fand keine. Er versuchte zu schlucken und zu husten und konnte es nicht. Nein! Warum ließen sie ihm nicht seinen Frieden?
    „Tubus! … Nein , den 18er, verdammt noch mal! Seine Atemmuskulatur ist verkrampft. So kriege ich das Ding niemals rein. Lass das, Angel! Mach auf, komm schon! … Schnell das Messer! Wir machen eine Koniotomie. Trach-II-Set?“
    Die Finger des Assistenten wühlten den Inhalt des Notfallkoffers durch. Mit eingezogenem Kopf und glühenden Ohren blickte er auf. „Bedaure, Doc.“
    „Das kann nicht wahr sein! … Okay, ruhig. “ Danilo holte tief Luft und noch einmal, ehe er sich entschuldigte: „Es ist nicht Ihre Schuld, Aspen. Haben wir einen Endotrachealtubus? Dann den 6er Spiraltubus. Lass mich jetzt bloß nicht hängen, Junge, und schon gar nicht vor der Haustür. Es wäre das erste Mal, dass mir einer unter den Händen … Nein, nicht du! Das werde ich nicht zulassen. Dich werde ich nicht verlieren.“
    Mit geschlossenen Augen tastete er über Angels Hals. Er fühlte das schwache Pulsieren der Arterie und die etwas weichere Schilddrüse. Er nahm sich Zeit , die Stelle zwischen Ring- und Schildknorpel zu suchen. Dahinter lag die Speiseröhre. Er durfte nicht zu tief stechen, wollte er diese oder die Stimmbänder nicht verletzen.
    Mit einem Zischen entwich die angestaute Luft aus Angels Lunge, als Danilo den Einschnitt vornahm. Seine geübten Hände führten den Spiraltubus ein und schoben ihn in Richtung Körpermitte, sodass Aspen den Tubus mit Pflaster fixieren konnte. Allmählich verschwand die blaue Verfärbung von Angels Lippen und Augenlidern.
    Und während Danilo noch rätselte, wieso er keine Intubation hatte vornehmen können, zerrte er die blutbeschmierten Handschuhe von seinen Fingern und warf sie in einem unkontrollierten Ausbruch von wütender Hilflosigkeit auf den Boden. Mit dem Ärmel seiner Jacke wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Er starrte den Sanitäter an, als wollte er etwas sagen.
    „Doktor?“
    Danilo machte eine verzweifelte Handbewegung und schüttelte heftig den Kopf. „Ich schaffe es nicht. Ich weiß nicht, was ich noch machen kann. Wo soll man bei diesen Verletzungen anfangen? Als hätten ihn diese Schweine nicht einfacher ins Jenseits befördern können! Sie haben nichts ausgelassen, um ihn auf die qualvollste Weise zugrunde gehen zu lassen. Was hat er ihnen getan, dass sie ihn dermaßen zurichten mussten?“ Danilo ließ seinen Kopf in die Hände sinken, als er spürte, wie seine Augen brannten. „Ich bin nicht geeignet für diesen Job“, murmelte er verzweifelt.
    „Doktor, Sie können im Moment wirklich nicht mehr für ihn tun. Vielleicht sollten wir uns in der Klinik melden und durchgeben, was sie für seine Aufnahme vorbereiten müssen.“
    Danilo nickte und beeilte sich dem Piloten zuzurufen: „Stellen Sie eine Funkverbindung zu Professor Vogel her!“ Und an Thomas Aspen gewandt entschuldigte er sich: „Heute war wohl nicht viel von mir zu lernen.“
    Thomas Aspen blickte den Arzt überrascht an. „Ganz im Gegenteil, Doc. Diesen Einsatz fand ich äußerst aufschlussreich.“
    „Da bin ich aber gespannt.“ Skeptisch zog en sich Danilos Augenbrauen zusammen.

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