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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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groß geschriebene Geheimhaltung in eurer Klinik fällt. Echt belastend.“ Ihre Hand tätschelte die Plastikkarte, die sie sich zur Identifikation an den Hosenbund geklammert hatte. „Wie ich das hasse!“
    Sie setzte sich zu ihm ans Bett und berührte das schmale Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Wie einem kleinen Kind strich sie dem Arzt über das borstige Haar und die dichten, schwarzen Augenbrauen, zeichnete mit ihrem Zeigefinger die Linien des fein geschwungenen Mundes nach.
    Ich sollte ihn malen, schoss es ihr wie ein Blitz durch den Kopf. Solch edles Profil findet sich selten. Und wenn ich schon mal das Glück hatte, eins zu entdecken, konnte ich den dazugehörigen Kerl nicht zum Modellstehen bewegen. Ohne entsprechende Gegenleistung. Ihn dagegen würde ich bereits jetzt im Schlaf malen können. Jesus, er ist … richtig schön.
    Sie riss die Augen auf , weil sie diese Feststellung geradezu erschreckte. Gleich darauf musste sie über sich selber lachen. Na und? Dann war er halt schön! Und ganz bestimmt wusste er das und bildete sich eine Menge auf sein Aussehen ein. Dieser Mann hatte vermutlich mehr als die ihm zustehende Anzahl von Herzen erobert … und gebrochen.
    Mit einem schnellen Blick zur Glastür des Zimmers vergewisserte sie sich, dass ihr niemand zuhörte. „Oh verzeih, ich lache nicht über dich, Herr Doktor. Nie im Leben würde ich mir eine solche Respektlosigkeit erlauben. Mir fiel bloß gerade Catherines Spruch ein, mit dem sie mir schon einige vielversprechende Modelle vertrieben hat. Der ist so was von gemein und hinterhältig, das würdest du nie glauben. Dieses Biest gönnt mir einfach keinen Mann, der attraktiver ist als der, den sie gerade strapaziert.“
    Während sie mit einer Hand in ihrem Lederbeutel kramte, zerrte sie mit der anderen an der Verpackung einer Schachtel Nugatpralinen und, obwohl ihr bei deren bloßem Anblick das Wasser im Mund zusammenlief, redete sie, wenn schon nicht sehr deutlich, so doch unbeirrt weiter. „Inzwischen habe ich dir derart viel erzählt, dass du mich beinahe besser kennen müsstest als ich mich selber. Ist irgendwie nicht in Ordnung. Schon mal was von Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört? Was hältst du also davon, dass ab sofort du mich unterhältst? Und überhaupt solltest du dich nicht so hängen lassen. Du hast lange genug gefaulenzt und zu viel Schlaf ist einfach ungesund. Oder bist du einer von der ganz üblen Sorte und willst auf Knien angefleht werden? Warte. Du gestattest sicher.“
    Sie schob sich eine Praline in den Mund, zog einen Skizzenblock und eine Packung Zeichenkohle aus dem Rucksack hervor und packte beides auf das Bett.
    „Ups!“ Sie lachte nervös und raffte hastig und mit spitzen Fingern alles wieder zusammen.
    Lediglich ein dünnes Laken bedeckte Angels Unterkörper und sogar von dort ringelten sich Schläuche hinab zum Boden, wo sie in irgendwelchen Beuteln endeten, deren Inhalt genauer zu inspizieren sich Susann bisher nicht hatte durchringen können.
    „Ich wollte dir um Gottes willen nicht zu nahe treten. Dir und deinem … ähm … Versorgungssystem.“
    Sie hatte am Tag zuvor einer Schwester dabei zugesehen, wie diese zunächst diverse Infusionen getauscht und dann – noch ehe sie, die unbedarfte Besucherin, sich diskret hatte zurückziehen oder auch nur den Blick abwenden können – das Laken zur Seite geschlagen und den Sitz eines stromlinienförmigen Dingens kontrolliert hatte, das am Unterleib des Arztes befestigt war und in seine Harnröhre führte. Mit verblüffender, geradezu schockierender Selbstverständlichkeit hatte die Schwester ihr erklärt, es würde sich dabei um einen Blasenkatheter zur künstlichen Harnableitung handeln.
    Wow! Trotz der angenehmen Temperatur im Zimmer war Susann schlagartig der Schweiß ausgebrochen und sie schüttelte sich noch nachträglich bei der Erinnerung an die Tropfen, die ihr das Rückgrat wie eine Armee Ameisen entlanggelaufen waren. Nun, sie hatte sich in der Tat bereits gefragt, wie diesen speziellen Bedürfnissen eines Bewusstlosen entsprochen wurde, dermaßen tief in die Intimsphäre eines Fremden einzudringen, noch dazu ohne dessen Wissen, war ihr dann trotzdem ziemlich peinlich gewesen.
    Wie würde er wohl reagieren, wenn er davon erfuhr?
    Was sie dagegen vollkommen sprachlos vor Erschütterung gemacht und ihr Tränen in die Augen getrieben hatte, war der Anblick seiner nackten Brust. Gott hatte mit den mächtigen Muskeln und den dunklen Haaren ein wahres

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