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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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überraschte ihn.
    „Ähm … Mmmh … Ich …“
    In der folgenden Minute setzte sie noch einige Male zum Sprechen an und schüttelte schließlich unschlüssig den Kopf. Es schien, als hätte sie vergessen, wie man einen vollständigen Satz bildet.
    „Was soll ich dazu sagen? Vielleicht würde ich sogar etwas dazu sagen, wenn ich auch nur die geringste Ahnung hätte, wovon zum Teufel du überhaupt redest.“
    „ Zunächst einmal geht es mir um die Fragen, die du hattest. Man hat mir erzählt, dass du beinahe ununterbrochen Fragen gestellt hast. Und gehörig verstimmt warst, weil sie nicht zu deiner Zufriedenheit beantwortet wurden.“
    Wieder schwieg er und wartete. Reglos, scheinbar ausdauernd geduldig. Und Karo wurde klar, dass sie auch noch morgen so sitzen würden, wenn sie ihm nicht die gewünschte Auskunft gab.
    „ Tage- und wochenlang“, begann sie zögernd, nach wie vor nach den richtigen Worten suchend, „habe ich mir ausgemalt, was du mir auf meine Fragen nach dem Unfall antworten würdest. Tatsächlich habe ich mir eine Zeitlang gewünscht, dich noch ein einziges Mal zwischen die Finger zu bekommen. Wie sehr hatte ich gehofft, dir bei dieser Gelegenheit all die Fragen an den Kopf knallen zu können, die mir Danilo nicht beantworten durfte. Was hatte ich damals für eine Stinkwut auf den armen Kerl! Dabei tat er ganz brav lediglich das, was du von ihm verlangt hast. Habe ich Recht? Ein Wort von dir genügt und er tut alles für dich. Und mein Gefühl sagt mir, dass dies nicht erst seit deinem Klinikaufenthalt so ist.“
    „Wir sind Freunde.“ Leichte Röte kroch ihm den Hals hinauf, da ihre Vermutung voll ins Schwarze getroffen hatte – auch wenn er es nicht ganz so krass ausgedrückt hätte. „Außerdem hat er immer den großen Bruder in mir gesehen. Wir hatten nur uns. Dani und ich sind Außenseiter gewesen, sogar im Kinderheim, wo es ausschließlich Außenseiter gab.“
    Karo fielen Erikas Schilderungen von Angels Kindheit ein. Sollte sein Martyrium auch nach seinem Auffinden nicht zu Ende gewesen sein? Ihre Hand fuhr an den silbernen Ring in ihrem rechten Ohr. Nein, sie wollte es nicht wissen! Sie musste einen Schlusspunkt setzen! Sofort!
    Ungestüm befreite sie sich aus Angels sanfter Umklammerung und leerte ihren Becher Punsch mit einem langen Schluck. Dann sagte sie ruhig und bestimmt: „Ich möchte nicht mehr wissen, was passiert ist. Glaube mir, es interessiert mich nicht länger.“
    „Du hast dich bei meinem Professor erkundigt und Erika gelöchert, Danilo sowieso und vermutlich sämtliche Schwestern, die mich kennen. Du wolltest es unbedingt wissen und ich bin hierhergekommen, um mit dir darüber zu reden.“
    „Warum? Willst du mir noch mehr Lügen auftischen?“
    „Lügen?“
    „ Genau! Lügen – oder wie nennst du das, was man mir als Antwort serviert hat? Glaube mir, es ist ein schreckliches Gefühl zu wissen, dass man sich auf keine Auskunft verlassen kann. Man kann einen Menschen nämlich nicht allein mit Lügen verrückt machen, sondern ebenso mit wohldosierten Halbwahrheiten. Es waren Kleinigkeiten, die sich häuften, Blicke, Andeutungen, Schweigen, Ausflüchte. Irgendwann wuchsen sie zu einer derartigen Höhe an, dass sie mir Angst machten. Verstehst du das?“
    Sie lachte unsicher. „Na ja, wahrscheinlich nicht . Für dich gehört das wohl zum Alltag. Diese Geheimnistuerei, meine ich. Ich jedenfalls hatte ständig das Gefühl, als würde mich jemand irgendwo draußen in der Nacht beobachten und mit einer Keule nach mir ausholen. Und ich war überzeugt, er würde ohne Zögern zuschlagen. Nirgends gab es einen Menschen, der mir helfen wollte. Sie haben sich die größte Mühe gegeben, ihr aufrichtiges Bedauern zu heucheln. Tut mir leid, aber ich weiß von nichts. Mein Name ist Hase. Diese Idioten!“
    Sie hielt einen Moment inne und erschrak, als sie Stojanows angestrengt mahlende Backenknochen bemerkte. Sein Gesicht glich einer ausdruckslosen Maske, seine Körperhaltung ließ dagegen erahnen, wie betroffen ihn ihre Worte machten. Doch er widersprach nicht.
    „ Inzwischen habe ich aufgehört zu fragen und im Stillen gehofft, die Bilder würden zu mir zurückkehren.“ Sie zuckte gleichmütig mit der Schulter. „Sieht so aus, als würde diese Unfähigkeit …“
    Wehmütig ging ihr Blick ins Leere. Die Erinnerung an diese verpasste Chance schmerzte zu sehr und noch heute musste sie an sich halten, um angesichts ihres Verlustes nicht aufzuschreien.
    „Die Bilder …

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