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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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glauben, inzwischen gebe ich niemandem mehr die Schuld. So was kommt Tag für Tag vor. Jeden Künstler oder den, der sich dafür hält, kann solch eine Krise treffen. Es ist eben passiert. Und nun möchte ich nichts mehr davon hören.“
    „Dieser Unfall, er ist nicht einfach so passiert.“
    Angel nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas, wie um sich Mut anzutrinken, während Karo gelangweilt die Augen rollte. Aufhören war offensichtlich ein Fremdwort für ihn. Ich will es nicht wissen, stöhnte sie lautlos. Nein, wirklich, es ist mir absolut gleichgültig. Mag sein, dass ich mittlerweile sogar Angst vor der Wahrheit habe. Sie riecht nach neuem Kummer und alten Erinnerungen, die ich aus meinem Leben verbannen wollte. Und die Wahrheit wird schmerzen.
    Sie streifte ihre Schuhe von den Füßen, zog die Beine auf das Sofa und dicht an den Körper heran. Mit einem Seufzer lehnte sie sich zurück, packte das Sofakissen auf ihre Knie und ließ das Kinn darauf sinken. Dann hob sie die Hände zum Zeichen dafür, dass sie ihren Widers tand aufgab. Für diesen Moment. Sie ahnte, wie wichtig ihm dieses Gespräch war, aber auch wie viel Überwindung es ihn gekostet haben musste, sich dazu durchzuringen. Ließ sie ihn jetzt reden, so ihre Hoffnung, hätte sie danach ihre Ruhe. Erwartungsvoll blickte sie den Mann an und setzte ihre Brille ab.
    „Bist du in allem dermaßen hartnäckig? Ein schwerer Brocken, was? Du erinnerst mich an … an so manch anderen.“ Sie lachte unsicher und winkte ab. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, klappte sie mit übertriebener Sorgfalt die Bügel ihrer Brille ein und legte sie behutsam auf den Tisch.
    „Dani lo und ich arbeiten in der Klinik, seit wir eine Ausbildung als Mediziner absolviert haben. Unsere Patienten kommen nicht nur aus Regierungskreisen oder der Armee, sondern … es sind ebenfalls Angehörige fremder Armeen und … Nachrichtendienste darunter. Patienten, die besonderer medizinischer Betreuung bedürfen. Damals, am Tag des Unfalls, war ein ausländischer Patient aus der psychiatrischen Abteilung … abgängig. Ich hatte keinen Dienst, trotzdem piepste mich Dani auf meiner Einkaufstour durch die Stadt an und gab mir die Fahrtrichtung des Fluchtwagens durch, der sich zufällig ganz in meiner Nähe befand. Und doch wäre ich fast zu spät gekommen. Die beiden Kinder standen weinend am Straßenrand und du … Ich habe mit ansehen müssen, wie du von der Motorhaube auf die Straße geschleudert worden bist, wie dein Kopf auf den Asphalt aufschlug. Alles war voll Blut. Und dazwischen rollten Orangen und Birnen und ein Ball. Ich habe mir im ersten Moment nicht vorstellen können, wie ein Mensch einen solchen Sturz überleben kann. Ich stellte meinen Wagen quer und versperrte den Flüchtigen somit den Weg. Du weißt, die Straße ist dort nicht sehr breit.“
    Angel hielt inne und stieß die Luft hörbar aus, als hätte er die ganze Zeit über nicht geatmet. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck endete er: „Ja, das zu dem Unfall“, wohl wissend, dass diese Version der Geschichte eine Lüge war.
    Seine Rede hatte ruhig und bedächtig geklungen, nahezu frei von Emotionen, fand Karo, überlegt und gut einstudiert, wenn sie die vereinzelten Pausen außer Acht ließ, die er wohl dosiert eingeschoben hatte. Musste er abwägen, wie weit er ins Detail gehen durfte, ohne die verordnete Geheimhaltung zu verletzen? Sein Zögern gefiel ihr aus irgendeinem Grund nicht. Und jetzt schaute er sie wie ein treuherziges Hündchen an und seine Miene spiegelte Erleichterung wider. Bildete er sich ein, überzeugend gewesen zu sein?
    Karo kniff die Augen zusammen und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie versuchte vergeblich , sich einen Reim auf Angels Schilderung des Unfalls und seine seltsam erscheinende Zufriedenheit zu machen. Irgendetwas passte ihr an dieser aalglatten Rede nicht. Wie viele neue Lügen hatte er den bisherigen angefügt? Gütiger Gott, sah sie bereits überall Gespenster? Warum sollte es nicht haargenau so und nicht anders gewesen sein? Sie hatte ihn nicht um eine Erklärung gebeten. Er hatte es aus freien Stücken getan. Warum also sollte er lügen?
    „Aha.“
    Das Schweigen zwischen ihnen zog sich wie Kaugummi in die Länge, sodass die Stille Zeit hatte, sich bemerkbar zu machen.
    „ Ein Patient aus der Psychiatrie. Ein Irrer auf der Flucht also.“
    Unter ihrem kritischen Blick fühlte sich Angel zunehmend nervöser, wie Karo nicht entging. Aber sie sah nicht ein, ihn so schnell

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