Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
ihrer neu gewonnenen Enkelin ein wenig aufzulockern. Das rechnete sie dem älteren Herren mit dem grau-blonden Lockenschopf und dem verschmitzten Blick hinter den runden Brillengläsern hoch an. Sie selbst wollte noch Hunderte Fragen stellen, musste noch so vieles wissen – doch sie wollte ihrer Großmutter auch die Gelegenheit geben, sich an sie zu gewöhnen.
Während Emily kaute, ließ sie ihren Blick durch das Pub schweifen. Es war innen genauso uralt und genauso klein, wie es von außen gewirkt hatte. Der ganze Raum bestand praktisch aus einem einzigen wuchtigen Tisch und zwei Kaminen an beiden Enden, die so groß waren, dass ein Zwölfjähriger bequem darin stehen könnte. Die Decke war nicht viel höher. An der einen Längsseite, links neben der schweren Eingangstür aus Holz, war eine schmale Bar eingerichtet, auf der einige Öllampen verteilt standen. In der Mitte des Tisches thronte ein wuchtiger Kerzenleuchter mit mindestens zwanzig flackernden Dochten. Emily konnte das Wachs riechen, trotz des viel dominanteren Dufts nach verbranntem Holz und Frittierfett. Als sie ihren Blick davon löste, bemerkte sie, dass Josh, der neben ihr saß, sie beobachtete.
»Adam findet es schöner so«, sagte er leise. Er nickte mit dem Kopf über seine Schulter in Richtung Tresen. »Adam – der Wirt«, fügte er hinzu. »Und Koch. Wenn man es so nennen mag.« Er hatte das gleiche Gericht wie Rose auf seinem Teller und hob nun mit dem Messer den Teigdeckel an, um das Fleisch darunter zu inspizieren. Seufzend fügte er hinzu: »Jedenfalls: Adam mag kein elektrisches Licht, deshalb die vielen Kerzen.«
Emily lächelte. »Dann scheint er ähnlich altmodisch zu sein wie Joe«, stellte sie fest.
Josh sah sie an. »Ja, vielleicht«, sagte er.
Einen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann fragte Emily: »Wer ist die Frau hinter der Bar?«
Josh antwortete, ohne sich umzusehen. »Eve«, erklärte er, »sie ist Adams Frau.«
»Adam – und Eve?« Emilys Augen weiteten sich.
»Stimmt genau«, sagte Josh und zwinkerte ihr zu. »Mach lieber keinen Scherz darüber, die Chancen stehen gut, dass die zwei ihn schon kennen.«
Emily sah zu der Frau hinter dem Tresen, die gerade einen der chromblitzenden Zapfhähne zu sich heranzog und ein goldfarbenes Getränk in ein Glas sprudeln ließ. Sie hatte den Kopf zur Seite geneigt und lächelte eine zierliche, ältere Dame an, die auf einem der Barhocker vor ihr saß. Sie stellte das gefüllte Glas vor ihr ab und stemmte dann eine Hand in ihre Hüfte, während sie mit der anderen ihre Haare im Nacken zusammenfasste und in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung nach vorn über ihre Schultern gleiten ließ. Ihre feuerroten Locken reichten ihr bis zur Taille. Und sie besaß die eindrucksvollsten Wangenknochen, die Emily je gesehen hatte.
Nachdem sie Eve einige Sekunden lang angestarrt hatte, fühlte sich Emily wie ertappt, als diese plötzlich den Kopf in ihre Richtung drehte und sie ebenfalls musterte. Sie spürte, wie sie rot wurde, aber Eve schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und bedeutete ihr mit einer Handbewegung zu warten, während sie in einer Tür hinter der Bar verschwand. Fragend sah Emily sich zu Josh um, doch der unterhielt sich über den Tisch hinweg mit Pfarrer Harry. Als sie sich wieder dem Tresen zuwandte, sah sie Eve auf sich zusteuern, und hinter ihr einen imposanten, stämmigen Mann mit Vollbart und Küchenschürze. Selbst neben der großen, kurvigen Eve wirkte der Mann, der vermutlich Adam war, wie ein Grizzly. Er musste den Kopf schief legen, um nicht an die Decke zu stoßen. Emily schätzte das Paar auf Anfang dreißig. Als die beiden fast schon vor ihr standen, erhob sie sich automatisch und wurde dann gleich von Eve in die Arme gezogen.
»Unglaublich«, erklärte Eve strahlend, während sie Emily auf Armlänge von sich weghielt. »Es ist einfach nicht zu fassen, dass Esther eine Tochter bekommen hat. Und eine so schöne! Und schon so groß! Und nun bist du hier!« Sie zog Emily noch einmal zu sich heran, und diese Umklammerung fühlte sich endgültig an.
Emily wartete ein paar Sekunden. »Hallo«, nuschelte sie dann in die duftende Haarflut. »Ich …«
»Eve, lass das Mädchen leben«, hörte sie jemanden brummen. Adam zog seine Frau sanft von Emily weg. »Du machst sie ja ganz verlegen.«
Er legte eine Hand auf Eves Schulter und streckte Emily die andere entgegen. »Adam«, sagte er kurz und nickte Emily zu. »Entschuldige, dass wir uns nicht schon
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