Zurückgeküsst (German Edition)
keine Ahnung“, flüsterte ich.
„Wirklich?“
„Na ja, ich dachte, das klingt besser als ‚Manche Leute sind einfach arme Schweine‘ … wo Sie doch Priester sind und so.“
Er lächelte. „Wir haben es alle nicht leicht“, sagte er. „So kann man es auch ausdrücken, denn fluchen darf ich nur zu besonderen Anlässen. Oh, da fällt mir ein, dass ich gleich los muss. Ich halte einen Vortrag über das Priestertum als Berufung.“
„Na dann, viel Glück“, wünschte ich. „Ich zahle, denn Ihre Mission grenzt ans Unmögliche, da will ich Sie gern anderweitigunterstützen, obwohl die katholische Kirche ja die reichste Organisation der W…“
„Schon gut, das bekomme ich oft genug zu hören“, warf er ein und tätschelte mir freundschaftlich die Schulter, nachdem er sich aus unserer Sitznische geschoben hatte. „Danke für das Essen, Harper. Lassen Sie uns bald wieder reden.“
Als ich in mein Büro zurückkam, stellte Tommy sich vor meinen Schreibtisch wie ein Kind, das gleich vom Schuldirektor vertrimmt wird.
„Hey“, sagte ich und hängte meinen Mantel auf. „Was ist los?“
Tommy sah mich nicht an. „Ich will, dass du meine Scheidung abwickelst“, ließ er mich wissen.
Ich erstarrte. „Aber …“
„Sie schläft immer noch mit diesem Typen. An dem Abend, als ich auf deiner Party war, hat sie sich mit ihm getroffen. Ich bin ein Idiot und habe jetzt endgültig die Nase voll. Also kümmere dich bitte darum, Harper, ja? Ich kann einfach nicht mehr.“
Und obwohl ich gewusst hatte, dass es so weit kommen würde, obwohl ich Meggie nie getraut hatte, obwohl ich wusste, dass Tommy daraus lernen und daran wachsen würde und hoffentlich eine Frau finden würde, die ihn verdiente … trotz alledem brach es mir das Herz.
„Das tut mir ja so leid“, sagte ich. Ich zögerte einen Moment, dann ging ich zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Das tut mir schrecklich leid, Tom.“
Wir blieben eine ganze Weile so stehen, und ich strich ihm leicht über den Rücken, während er weinte wie ein kleines Kind, obwohl er über eins neunzig war und ich ganz und gar nicht der mütterliche Typ. Alle meine schlauen Sprüche – dass das Herz Zeit braucht … dass der Kopf es schon weiß … Sterbehilfe für eine sterbende Beziehung – waren einfach nicht gut genug. Tommy hatte seine Frau geliebt, und sie liebte ihn nicht auf dieselbe Weise, und kein noch so weiser Spruch konnte das erträglicher machen.
Später am Tag ging ich in Theos Büro und schloss hinter mir die Tür. „Ich muss mit dir reden, Boss“, sagte ich.
„Natürlich, meine Liebe“, entgegnete er und sah auf die Uhr. „Du hast vier Minuten.“ Er trug ein giftgrünes Polohemd und hässliche Karohosen.
„Beziehungen pflegen?“
Theo schmunzelte. „Ja, Senator Lewis ist in der Stadt, um der Presse aus dem Weg zu gehen.“
„Was hat er diesmal angestellt?“
„Anscheinend hat er seine Seelenverwandte gefunden.“
„Oje.“
„M-hm. Und sie hat ihre besonderen gemeinsamen Momente ins Internet gestellt. Über drei Millionen Aufrufe in zwei Stunden. Ein stolzes Ergebnis. Der Senator ist jedoch weniger erfreut.“
„Hach, junge Liebe“, sagte ich, obwohl Senator Lewis schon weit in den Siebzigern war. Da fragte man sich natürlich, wer diese drei Millionen waren und warum sie ihre Seelen beschmutzen wollten, indem sie die schlaffen Schenkel eines dicken weißen Typen beobachteten, der es mit seiner ehemaligen Putzfrau trieb.
„Also, was gibt’s? Noch drei Minuten und zwanzig Sekunden.“
„Theo, ich würde gern in ein anderes Ressort wechseln.“
„Anderes Ressort? Wieso das?“ Er nahm einen Golfschläger und imitierte einen sanften Schlag.
„Ich möchte nicht mehr nur Scheidungen bearbeiten.“
Er machte ein entsetztes Gesicht. „Was? Warum? Nein!“
„Ich fühle mich ein bisschen ausgebrannt, Theo. Natürlich kann ich das immer noch ein bisschen mit übernehmen, aber … es hat seinen Preis.“
„Nicht du! Ich dachte, du wärst anders! Du hast es doch wirklich drauf! Manchmal braucht das Herz einfach Zeit, zu akzeptieren, was der Kopf bereits weiß.“
Ich atmete tief durch. „Genau. Aber manchmal haben wir einen Haufen Mist im Kopf, Theo.“
Verwirrt sah er mich an. „Na klar. Aber worauf willst du hinaus?“
„Ich muss in eine andere Sparte wechseln. Oder aufhören.“
Er fuhr zurück und ließ seinen Putter oder Driver – oder was immer es war – fallen. „Sprich das Wort nicht aus! Oh, du elende
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