Zurückgeküsst (German Edition)
Ehepartner übernommen hatte.
Ich war schon als Schlampe bezeichnet worden (und Schlimmeres), hatte Kaffee ins Gesicht geschüttet bekommen, war bespuckt, verflucht und verdammt worden.
Ich sah es als Kompliment an. Ja, ich war eine sehr gute Scheidungsanwältin. Wenn das bedeutete, dass ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz von Leuten eine Voodoo-Puppe mit roten Haaren und engem grauen Kostüm besaß, dann sei’s drum. Tatsächlich hatte ich Dennis kennengelernt, nachdem mein Auto von einer verärgerten Ehefrau gerammt worden war und die Feuerwehr mich hatte aus dem Wagen schneiden müssen. (Ich hatte keine weiteren Verletzungen davongetragen und den Zuspruch einer netten Schadensersatzzahlung durch Richter Burgess eingestrichen, bei dem ich einen Stein im Brett hatte.) „Wollen Sie ein Bier mit mir trinken?“, hatte Dennis damals gefragt. „In einer halben Stunde hab ich Feierabend.“ Und da ich weitaus mehr unter Schock stand, als ich zugeben wollte, hatte ich eingewilligt.
Er schien weder durch meinen Ruf als „Eierquetscherin“ noch durch mein üppiges Einkommen eingeschüchtert zu sein. Gut. Dennis konnte mich gut leiden. Und ich mochte vielleicht keine Bilderbuchschönheit sein, aber ich wusste, dass ich attraktiv war (sehr sogar, wie manch einer sagen würde), geschmackvoll und gut gekleidet, strebsam, erfolgreich, klug und loyal. Und auch lustig. Na ja … manchmal zumindest. Okay, es gab sicher Leute, die dem nicht zugestimmt hätten, aber ich war lustig genug.
Alles in allem, fand ich, konnten wir sehr zufrieden sein. Und zufrieden wurde viel zu oft unterschätzt.
Wie ich nur zu gut wusste, waren Ehen zerbrechliche Pflänzlein der Hoffnung, und eine von dreien endete als ein Haufen verdorrter Blätter. In meiner Erfahrung zählten die meisten davon zu der Sorte: „Oh, mein Liebling, mit dir fange ich erst wirklich zu leben an!“ … eben der Sorte, die auf einem Scheiterhaufen aus Hass und Bitterkeit endete. Bequemlichkeit , Kameradschaft und realistische Erwartungen klangen natürlich nicht annähernd so verlockend wie unvergängliche Leiden schaft ,waren aber weitaus mehr wert, als die meisten Menschen dachten.
Doch es gab einen weiteren Grund, weshalb ich Dennis dazu bringen wollte, mich zu heiraten. Bald würde ich vierunddreißig werden und damit so alt wie meine Mutter, als ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund empfand ich die Vorstellung, in diesem Alter alleinstehend zu sein, als massives Versagen. Seit einigen Monaten schon hatte der Gedanke einen dunklen Schatten auf mein Leben geworfen. Genauso alt wie sie. Genauso alt wie sie.
Dennis schwieg noch immer. Seine Serviette hatte er mittlerweile zu Konfetti verarbeitet. „Du, hör mal“, meinte er schließlich. „Harp. Äh, Harper, meine ich. Also, Schatz … es ist so …“
In diesem Moment begann Audrey Hepburn in meiner Handtasche zu trällern. „Moon River“, das Lied, das einen Anruf meiner Schwester anzeigte. Wie Audrey war auch meine Schwester süß, lieb und schutzbedürftig. Sie war vor Kurzem nach New York gezogen, und ich hatte schon eine Weile nichts mehr von ihr gehört.
„Willst du rangehen?“, fragte Dennis eifrig.
„Äh … macht es dir was aus?“, fragte ich zurück. „Es ist meine Schwester.“
„Nein, gar nicht“, erwiderte er sichtbar erleichtert. „Lass dir Zeit.“ Er leerte die verbliebene Hälfte seines Biers und widmete sich wieder dem Spiel der Bostoner Red Sox.
„Hallo, Willa!“
„Harper? Ich bin’s, Willa!“ Obwohl meine Stiefschwester schon siebenundzwanzig war, klang ihre Stimme immer noch ein wenig kindlich, und ich musste jedes Mal lächeln, wenn ich sie hörte.
„Hallo, Süße! Wie läuft’s im Big Apple? Geht es dir gut?“
„Es ist alles ganz toll. Und, Harper, ich habe Neuigkeiten.
Großartige Neuigkeiten!“
„Wirklich? Hast du einen Job?“
„Ja, ich bin, äh … Bürofachkraft. Aber das ist nicht die Neuigkeit. Bist du bereit? Sitzt du?“Ich bekam eine düstere Vorahnung und sah zu Dennis hinüber, der konzentriert das Baseballspiel verfolgte. „Okay … was ist es?“
„Ich werde heiraten!“
Ich schlug die freie Hand vor den Mund. „Willa!“
„Ich weiß, ich weiß, du kriegst die Krise, und ja, wir haben uns erst vor ein paar Wochen kennengelernt. Aber es ist wie Kismet – ist das das richtige Wort? Absolut fantastisch. Ich meine … so etwas habe ich noch nie empfunden. Ehrlich!“
Verdammt. Ich atmete tief ein und
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