Zusammen Allein
baten mit quengelnden Stimmen, eine Runde drehen zu dürfen. Bis ich mich von dem Anblick lösen konnte, war Petre in einem Eingang verschwunden. Enttäuschtwollte ich abziehen, als sein dunkler Haarschopf hinter einer Hecke wieder auftauchte. Eine Dicke folgte ihm. Die beiden unterhielten sich kurz, dann zeigte die Frau mit der ausgestreckten Hand zum Ende der Blockreihe. Petre zögerte, und nachdem die Frau außer Sichtweite war, ging er nicht in die gezeigte Richtung, sondern bog scharf um die Ecke und trat in einen anderen Hauseingang. Mehr als zwanzig Parteien wohnten in einem solchen Block, da konnte man sich schon verlaufen. Petre aber benahm sich wie jemand, der gar nicht wusste, wen oder was er suchte. In zehn weitere Hauseingänge schaute er rein, kam wieder heraus, lief kreuz und quer durch die Siedlung. Sein merkwürdiges Verhalten konnte ich mir nicht erklären. Als es bereits nach zehn Uhr war, verlor ich seine Spur und fuhr alleine nach Hause.
Statt schimpfend empfing mich meine Großmutter mit einem breiten Lächeln. Sie saßen in trauter Runde beisammen, Misch, Constantin und Puscha. Und weil drei eine unglückliche Zahl sei, wie Puscha betonte, lud sie mich an den Tisch. Ich dachte, es gehe um Englischnachhilfe, und überlegte mir im Geiste bereits, an welchen Tagen ich Zeit haben würde, doch die drei planten eine Reise. Eine Reise, an der ich teilnehmen sollte. Urlaub am Schwarzen Meer, das hörte sich gut an, trotzdem lehnte ich ab.
»Red nicht so«, schmeichelte Puscha. »Und keine Sorge, wir zwei Alten fahren nicht mit, nur junge Leute, Freunde von Constantin.«
»Die kenn ich doch gar nicht«, protestierte ich, drehte mich auf dem Absatz um und wollte in mein Zimmer.»Nichts da, hiergeblieben«, befahl meine Großmutter, »das wird jetzt zu Ende diskutiert.«
Zähneknirschend hörte ich mir ihr Vorhaben an, mein Interesse aber galt einzig und allein Petre. Ich musste wissen, was seine nächtlichen Abenteuer bedeuteten. Mitten in der Nacht. Ein schabendes Geräusch war zu hören gewesen. Statt weiterzuschlafen, stand ich auf. Offiziell, um etwas zu trinken, inoffiziell, um zu kontrollieren, ob Petres Schuhe im Flur standen. Die Uhr in der Küche zeigte zwei Uhr, und er war noch nicht zu Hause. Traurig und verärgert ließ ich mich im Eingangsbereich neben dem Schuhschrank nieder. Es gab keinen vernünftigen Grund für mein Verhalten, die Welt würde sich nicht langsamer oder schneller drehen, nur weil ich Wache hielt, doch ich wollte es tun, ich musste es tun. Leos Decke lag da, ich faltete sie auseinander, legte sie mir über die Schultern und wartete.
Gedanken kamen wie Windstöße, manchmal sorgten sie für Erfrischung, dann wieder hauten sie mich fast um. Das Leben erschien mir ein seltsames Geflecht zu sein, aus Schwierigkeiten geflochten, durch spitze Stecknadeln zusammengehalten, an denen man sich oft verletzte. Wieder Geräusche, sie kamen von draußen. Das Flurfenster stand offen, und man hörte das Rascheln von Mäusen und das Schmatzen eines Igels. Ich wollte gerade nachschauen, da drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und eine Gestalt schob sich träge durch den Rahmen. Mit ihr wehte auch der Geruch von Alkohol herein und etwas, das an Abenteuer erinnerte und von dem ich ausgeschlossen war. Eine Frauenstimme kicherte im Hintergrund. Da wusste ich, meine Geduld war verschwendet.In der rechten Hand schwenkte Petre eine Flasche Wein, mit der Linken zog er dieses Weib herein. Trotz der Enttäuschung, trotz der Eifersucht war ich in der Lage, die Aktentasche zu vermissen. Bei wem hatte er sie liegen gelassen? Mich fröstelte, doch ich traute mich nicht aufzustehen. Ohne mich zu bemerken, schlich das Paar an mir vorbei und die Stufen nach oben. Wusste Petre, dass sein Vater heute bei Puscha schlief, und was hätte er getan, wenn das Zimmer besetzt gewesen wäre? Das also war Mira oder Alexandra oder Marina. Deutlich spürte ich den Widerhaken, mit dem Petre sich in meinem Herzen verfangen hatte. Ich liebte und hasste ihn zugleich. Obwohl ich über einen Liter Wasser trank und dreihundert Schäfchen abzählte, konnte ich in dieser Nacht nicht wieder einschlafen.
Das Defilieren im halb wachen Zustand will geübt sein. Wie durch Nebel betrachtete ich von unserem Sammelpunkt aus die Aufstellung der Teilnehmer. Da waren die kleinen Falken, denen sich die Pioniere anschlossen, schließlich kamen wir, die Oberschüler. Meine Uniform
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