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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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in der frühen Sowjetunion bezog sich in weiten Teilen explizit auf Fourier, wobei der Omniarch in Moskau wie Fourier mit wenig oder gar keiner direkten Erfahrung Fabriken konzipierte und Produktionsziele setzte. Der Staatssozialismus ließ allerdings die Freiheit weg, die Fourier den Arbeitern innerhalb der Werkstatt geben wollte. 25
    Auch Washington befand sich in einer Position, die an den Omniarchen erinnert. Und wie die deutschen Aussteller in Paris hatte er ein komplizenhaftes Verhältnis zu den herrschenden Mächten. Wohlhabende Weiße finanzierten die beiden Institute, und Washington warb intensiv um deren Spenden. Die höhnische, aus Harriet Beecher Stowes Roman Onkel Toms Hütte stammende Bezeichnung »Onkel Tom« schien gut auf ihn zu passen, zumindest in den Augen des großen radikalen Führers W. E. B. Dubois, der eine Generation jünger war als Washington. Der Ausdruck bezieht sich auf einen Afroamerikaner, der vor den Weißen katzbuckelt, deren gelegentliche Gunstbeweise dankbar entgegennimmt, den Zorn über deren Herablassung herunterschluckt und seine eigenen Leute ohne sonderlichen Respekt behandelt.
    Zu Washingtons Verteidigung könnte man anführen, dass er glaubte, die Werkstatt werde eine würdige Form sozialen Umgangs hervorbringen. Er wollte die afroamerikanische Gemeinschaft heilen. Er hoffte, wenn die Schwarzen ihre internen Bindungen stärkten, würden sie schließlich als geachtete Mitglieder Zugang zur Gesamtgesellschaft finden und den sozialen Status des oberen Proletariats und des Kleinbürgertums erreichen. Ihm ging es eher um Inklusion als um Revolution, ein Ziel, das Lehnstuhlrevolutionäre nur allzu leicht als unsinnig abtun können.

    Heute noch interessant ist Washingtons Schöpfung wie die von Owen wegen der dort hergestellten Verbindung zwischen Kooperation und wechselseitigem Respekt.
    Sichtbar wird diese Verbindung auf Fotografien, die Frances Johnston vom Hampton Institute und der dort geleisteten Arbeit angefertigt hat. Diese Bilder wurden 1900 in einer in der Nähe der Seine gelegenen Galerie ausgestellt und ergänzten die wenigen, in einer Ecke des amerikanischen Raums des Musée social gezeigten Objekte. 26 Um das ökonomische Versprechen der Institute vor Augen zu führen, montierte Frances Johnston Vorher-Nachher-Fotografien, auf denen die Hütten, in denen Schüler vor ihrer Aufnahme in Hampton gehaust hatten, und die festen Häuser zu sehen waren, die sie nach dem Abschluss der Ausbildung erwarben. Doch ganz bewusst oder dank ihres künstlerischen Instinkts schaut Johnston genauer hin, als Washington schreibt. Auf ihren Fotografien sieht man zum Beispiel ehemalige Sklaven und verarmte Indianer, die gemeinsam in Gewächshäusern und in Tischlereien arbeiten. Eine Fotografie zeigt ein »Indianerorchester«, dessen Musiker europäische Streich- und Blasinstrumente in den Händen halten. Washington spielt diese Mischung in seinen Schriften eher herunter, während die Fotografien sie deutlich hervorkehren. Die Aufnahmen zeigen Menschen, die ethnische Unterschiede auflösen, indem sie gemeinsam anspruchsvolle Dinge tun, und nicht indem sie einfach nur beisammen sind. Johnstons Auge würdigt die fotografierten Personen, indem es sie bei harter Arbeit zeigt, und das ist etwas ganz anderes als die betont zwanglose und informelle Art, mit der man die Besucher der Nachbarschaftsheime zu motivieren versuchte.
    Die Fotografien sagen auch etwas über die Werkzeuge aus, die es den Arbeitern ermöglichten zu kooperieren. Alle Werkzeuge der Werkstatt werden ebenso scharf abgebildet wie deren Benutzer. Johnston gehörte zu den ersten Fotografen, die mit unterschiedlichen Tiefenschärfen experimentierten. Sie fotografierte mit großer Sorgfalt die neuen Werkzeuge und Geräte, zum Beispiel die Käsepresse. Das hat, denke ich, größere Bedeutung, als es zunächst erscheinen mag. Nostalgische Utopisten der Werkstattidee warfen in ihrem Feindbild »Mechanik« und »Technik« in einen Topf. John Ruskin war darin besonders extrem, doch auch bei vielen anderen vermengten sich die sozialen Übel der Fabrikarbeit mit Angriffen auf die Maschine schlechthin. Johnston stellte die Werkzeuge nicht als Quellen der Entfremdung dar, sondern verlieh ihnen visuell dasselbe Gewicht wie den Menschen, die sie allein oder gemeinsam mit anderen benutzten.
    An einem Punkt ihrer Laufbahn ging Johnston in die Außenbezirke von Paris und fotografierte in Fabriken, in denen die simple, brutale Arbeitsteilung

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