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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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während das neue System kurzfristiger und auf schnellen Gewinn ausgerichtet war.
    Der größte Teil dieses neuen Geldes ist, um es mit den Worten des Ökonomen Bennett Harrison zu sagen, »ungeduldiges Kapital«, das kurzfristige Erträge aus den erworbenen Aktien und Finanzinstrumenten anstrebt und eben kein langfristiges Eigentum an den Unternehmen, in die das Kapital investiert wurde. 13 Die Aktienkäufer achten mehr auf die Kurse als auf die Gesundheit der betreffenden Unternehmen. Man kann auch durch Leerverkäufe von Aktien Geld machen, indem man auf einen Kursrückgang wettet, obwohl die betreffenden Unternehmen weiterhin Gewinne melden. Dadurch geraten die Unternehmen unter Druck und fühlen sich gezwungen, auf die Vierteljahres- oder gar Monatszahlen zu achten, statt sich langfristig zu orientieren. Selbst Pensionsfonds, die doch am ehesten noch langfristig denken sollten, begannen in der letzten Generation, die Regeln ihres zeitlichen Engagements zu verändern. 1965 hielten Pensionsfonds eine Aktie durchschnittlich 46 Monate lang in ihren Portefeuilles, 2000 waren es im Schnitt 8,7 Monate und 2008 nur noch 4,9 Monate.
    Die Wall Street spezialisierte sich bei diesen Veränderungen auf die Schaffung neuer Instrumente für ungeduldige Investoren, während die Londoner City ihre Verbindungen aus dem alten Empire eher für das globale Geschäft und weltweite Koordination nutzte. 14 Wie die Londoner »City«, so ist auch »Wall Street« zu einer Sammelbezeichnung für ein ganzes Finanzzentrum geworden. In New York ist midtown Manhattan inzwischen ein ebenso bedeutsamer Finanzplatz wie der downtown gelegene Rector Place, und in London finden sich in Mayfair ebenso viele Finanzinstitute wie in Moorgate.
    Die neue Zeitperspektive veränderte in beiden Städten die Struktur der Finanzinstitute und die Arbeitsweise der dort Beschäftigten. Wie in anderen Branchen findet sich auch in den Finanzinstituten im Unterschied zu einer Ausrichtung auf das »Kerngeschäft« heute ein »Portfolio«-Konzept, bei dem viele verschiedene und oft nicht miteinander verbundene Aktivitäten unter dem Dach ein und desselben Unternehmens vereinigt sind. Das Portfoliomodell bietet angeblich die Möglichkeit, besser auf die raschen Veränderungen der globalen Märkte zu reagieren und wenigstens in einigen Bereichen Gewinne zu machen. Das Portfoliokonzept erschwert jedoch ein kohärentes Image, eine kohärente corporate identity . Das Unternehmen wird als ein Konglomerat unterschiedlicher Teile verstanden, die verkauft, hinzugekauft oder neu zugeschnitten werden können.
    Der Investor und Philosoph George Soros sieht die Auswirkungen unterschiedlicher Zeitperspektiven für Organisationen im Unterschied zwischen augenblicklichen »Transaktionen« und dauerhaften »Beziehungen«. 15 Anders als Soziologen früherer Zeiten sieht Soros, dass Organisationen sowohl formale als auch informelle Beziehungen unterhalten. Informelles Vertrauen spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung einer Beziehung, vor allem wenn das Finanzinstitut oder seine Kunden unter Druck geraten und darauf angewiesen sind, dass die Partner eventuell einen Zahlungsaufschub gewähren oder Kredite bereitstellen. Die Bereitschaft dazu erfordert in der Regel schon lange bestehende persönliche Bindungen.
    Etwas abstrakter charakterisiert der Soziologe Manuel Castells die heutige politische Ökonomie als einen »Raum von Flüssen«. 16 Dank der neuen Technologie operiere die Weltwirtschaft heute synchron in Echtzeit. Das Geschehen an den Börsen in London oder New York wird ohne zeitlichen Verzug in Singapur oder Johannesburg registriert. IBM kann in Bombay geschriebene Computerprogramme ebenso direkt einsetzen wie im eigenen Unternehmen entwickelte. Castells spricht von einer »zeitlosen Zeit«. Der Computerbildschirm, das große Symbol unseres Zeitalters, verkörpert diese Zeit: zahlreiche Fenster ohne zeitlichen Bezug. Die Zeit ist außer Kraft gesetzt. Die sozialen Folgen sind genau die von Soros genannten: augenblickliche Transaktionen statt dauerhafter Beziehungen.
    Die kurzfristige zeitliche Orientierung hat den Charakter der Arbeit verändert. Der heutige Arbeitsmarkt ist eher von kurzfristigen Arbeitsverhältnissen als von langfristigen beruflichen Karrieren geprägt. Diese Ausrichtung verdeutlicht sehr gut ein Manager von ATT, der vor einigen Jahren erklärte: »Bei ATT müssen wir das ganze Beschäftigungskonzept auf die anfallenden Aufgaben ausrichten … Die

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