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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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Jobs werden durch Projekte ersetzt.« 17 Befristete Arbeitsverhältnisse, oft zudem als Teilzeitbeschäftigung, sind eine Folge dieses Ethos. Heute ist die Zeitarbeit der am schnellsten wachsende Sektor der Dienstleistungsökonomie. Junge und selbst vollzeitbeschäftigte Universitätsabsolventen der mittleren Ebene müssen damit rechnen, ihren Arbeitgeber während ihres Arbeitslebens mindestens zwölf Mal und ihre »Qualifikationsgrundlage« mindestens drei Mal zu wechseln. Die Qualifikationen, die man mit vierzig Jahren einsetzen muss, sind nicht die in der Schule erworbenen Fertigkeiten. 18
    Diese Veränderungen in der Zeitperspektive haben beträchtliche Auswirkungen auf das Kontextwissen der Menschen. »Als ich an der Wall Street anfing«, sagte mir ein Wirtschaftsprüfer, »blieben die Leute ihr Leben lang in der Firma … und konnten gar nicht anders, als den Betrieb genau kennenzulernen, vor allem wenn die Kacke am Dampfen war. Heute ist das anders.« ***** Vielleicht gibt es hier einen neuen Kontext: Niemand ist unersetzlich. Besonders theatralisch versuchte der ehemalige Vorstandsvorsitzende von General Electric, Jack Walsh, diese Tatsache zu veranschaulichen. Er sorgte dafür, dass in der Vorstandsetage stets ein Büro leer stand, um Anwärtern auf eine dortige Stellung dramatisch vor Augen zu führen, dass bei GE niemand einen ständigen Posten habe. Ich fragte den Wirtschaftsprüfer, was er davon halte. »Sicher, niemand ist unersetzlich, aber entscheidend ist doch, dass dieses Büro leer ist« – dass niemand dort arbeitet, den man inzwischen kennt, auf den man sich verlassen oder nicht verlassen kann und von dem man weiß, wie man mit ihm zusammenarbeitet.
    Die kurzfristige Orientierung veranlasste die Arbeitgeber in der langen Boomphase vor dem Crash von 2008 , den Berater, der dank seiner Qualifikationen beliebig einsetzbar ist und stets nur zeitweilige Bindungen eingeht, zum Vorbild für die ideale Arbeitskraft zu erheben. Im Management führte dieses Beratermodell zu einer inhaltlichen Entleerung der Arbeit. So hieß es kürzlich in der Anzeige für einen recht technischen Job als Leiter der Abteilung Preiskontrolle in der britischen Civil Aviation Authority (Luftfahrtbehörde): »Sie sind ein vielseitig einsetzbarer Manager … und nutzen Ihre Fähigkeiten, um unklare Probleme in klare Lösungen zu verwandeln … [Sie verfügen über] eine flexible, positive Einstellung und die Fähigkeit, sich schriftlich und mündlich klar auszudrücken … [Sie schätzen] die intellektuelle Herausforderung und die Anregung, innerhalb eines hochkarätigen Teams arbeiten zu können.« 19 Diese Attribute haben nur wenig Luftfahrtspezifisches.
    Die mangelnde Bedeutung des Kontexts und des Kontextwissens sowie die Konzentration auf kurzfristige Beschäftigung und Zeitarbeit verstärkt bei manuell Arbeitenden ein tiefes Gefühl der Verunsicherung. Ihre Kenntnis des Arbeitsplatzes und der dort tätigen Menschen zählt auf dem Arbeitsmarkt nur wenig. Ihr Sozialkapital, um Robert Putnams Ausdruck hier nochmals aufzugreifen, fällt ökonomisch kaum ins Gewicht. Die Unsicherheit ist greifbarer, weil im produzierenden Gewerbe immer mehr Arbeitsplätze wegfallen oder Arbeitskräfte, die eine Beschäftigung haben, von einem kurzfristigen Job zum anderen wechseln. In der Finanzbranche nimmt die Unsicherheit eine andere Form an. Für Wirtschaftsprüfer, Buchhalter, IT-Teams und Personalmanager an der Wall Street ist sie eine tägliche Erfahrung, ein normales Element ihres Lebens, in dem Störungen und Krisen zum Alltag gehören. Doch langfristiges Kontextwissen wird deshalb nicht gänzlich bedeutungslos.
    Bedeutung hat es zum Beispiel bei der Zuteilung von Belohnungen für gute oder harte Arbeit. Wie viel wissen die Leute über die Menschen, die sie beurteilen? Die Antwort auf diese Frage führt uns zu einer sonderbaren Tatsache. Die kurzfristige Orientierung ist in der Elite der Finanzbranche an der Wall Street stärker ausgeprägt als auf den mittleren Ebenen. Das heißt, in der letzten Generation begann sich das Personal im oberen Managementbereich gleichsam durch eine Drehtür zu bewegen und wechselte nach wenigen Jahren oder gar Monaten von einer Firma in die andere oder innerhalb desselben Unternehmens von einer Abteilung in die andere, wohingegen solch ein Wechsel im mittleren Management seltener vorkam. Wegen dieses Unterschieds in der Geschwindigkeit des Stellenwechsels wurde harte Arbeit in diesen Firmen häufig

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