Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
Arbeitsplatzes keine traumatische Erfahrung wäre. Bei den Arbeitslosen findet sich wie bei den Beschäftigten eine Klassenstruktur, die Einfluss darauf hat, wie man den Verlust erlebt. Manager aus der Führungsebene haben vertragliche Vereinbarungen, die im Falle einer Kündigung Barabfindungen vorsehen. Außerdem haben sie Zugang zu Firmen, die auf die Vermittlung von Spitzenmanagern spezialisiert sind und von den Unternehmen bezahlt werden. Vor allem aber verfügen sie über ein umfangreiches Netz persönlicher Kontakte zu Kollegen, die bereit sind, sich mit ihnen zum Essen zu treffen oder einen persönlichen Anruf entgegenzunehmen. Dagegen besteht das große Problem der weiter unten auf der betrieblichen Stufenleiter angesiedelten Arbeitskräfte darin, dass dieses Netz bei ihnen sehr viel schwächer ausgebildet ist. In ihrer Arbeit haben diese technischen Angestellten meist nur Menschen ähnlicher beruflicher Stellung kennengelernt, die nun gleichfalls auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle sind. Bewerbungen aufs Geratewohl, das heißt an unbekannte Arbeitgeber, zu verschicken hat sich als weitgehend nutzlos erwiesen, da diese Arbeitgeber weder Zeit noch Lust haben, solche meist umfangreichen Bewerbungen durchzulesen.
Das Trauma kann, selbst wenn es nur kurz währt, als Weckruf dienen, wenn die Betroffenen sich fragen, was sie wirklich tun und wie sie wirklich leben wollen. Ein älterer Angestellter, der im Archiv gearbeitet hatte, sagte mir: »Plötzlich machte ein Chinese meine Arbeit für weniger Geld, und sie entließen mich, und als Erstes dachte ich, wie blöd ich doch gewesen war, Überstunden zu machen, damit die Arbeit fertig wurde.« Im Rückblick denken nun viele der Menschen, die ich kennenlernte, ob nun Arbeitslose oder Kollegen, die ihren Job behalten hatten, über den beschränkten Charakter ihrer Arbeit nach oder auch über die Tatsache, dass sie ihr Familienleben dafür opfern.
Wie zuverlässig sind Menschen, die ein Trauma wie das von 2008 erlebt haben, als Informanten? Vor allem bei Arbeitslosen können Angst und Frustration natürlich zu einseitigen oder verzerrten Wahrnehmungen und Äußerungen führen. Bei Interviews hängt das Urteil über solche Einseitigkeit davon ab, ob die Äußerungen des Interviewten ein abgerundetes Bild ergeben. Vermag der Befragte auch andere Perspektiven zu sehen? Spricht er dialogisch oder kämpferisch über seine Erfahrungen? Ist er neugierig? Mit einigen wenigen Ausnahmen zeichneten die von mir Befragten ein ausgewogenes Bild ihrer jüngsten Vergangenheit, das allerdings auch einen speziellen Brennpunkt aufwies. Statt sich über die Ökonomie auszulassen, behandelten diese Handwerker der Ökonomie den Crash als Übergangsritus, der sie veranlasste, ernsthaft über Fragen der Lebensqualität nachzudenken.
Drei dieser Fragen verdeutlichen die Schwäche des informellen Dreiecks der sozialen Beziehungen an ihren Arbeitsplätzen. Im Rückblick glauben die Informanten, dass die Kooperation in ihren wechselseitigen Beziehungen letztlich nur oberflächlichen Charakter besaß und die Arbeit in ihren Firmen eher durch Isolation geprägt war. Sie zeichnen hier ein ausgewogenes Bild, denn einen Teil der Schuld an Isolation und schlechter Kooperation geben sie sich selbst. Das Vertrauen in die Firma war minimal und schien zu erklären, warum sie neidvolle Vergleiche einer bestimmten Art anstellten. Sie haben das Gefühl, dass ihre Vorgesetzten im Umgang mit dem Crash keine Autorität verdienten, ja dass viele von ihnen ihrer Rolle als Autoritätsperson nicht gerecht wurden, aber an ihrer Macht und ihren Vergünstigungen festhielten. Daraus erwächst eine gewisse Verbitterung, auf die viele dieser Bankangestellten mit dem Wunsch reagierten, einen Job in einer besseren Firma zu finden oder aus dem Finanzsektor in eine andere Branche überzuwechseln.
Schwache Kooperation
Isolation ist ganz offensichtlich ein Feind der Kooperation, und Analytiker der modernen Arbeitswelt kennen diesen Feind nur allzu gut. Im Managementjargon spricht man hier vom »Siloeffekt« – das Bild orientiert sich an den riesigen Silos, in denen Getreide gelagert wird. Die Beschäftigten kommunizieren in solchen »Silos« nur wenig miteinander. Nach einer 2002 von der American Management Association (AMA) durchgeführten Studie glaubten 83 Prozent der befragten Manager, dass es in ihrem Unternehmen solche Silos gab, und 97 Prozent waren der Ansicht, dass Isolation negative Auswirkungen hat.
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