Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
»Innehalten«, da sie jeder Überheblichkeit entgegenwirkt und den Gesprächspartner zur Beteiligung einlädt. Auch der Wert, den Castiglione in seinem Buch vom Hofmann der sprezzatura , der Leichtigkeit der Gebärden und der Sprache, beimisst, ist ein Beispiel für den Einsatz minimaler Kraft im sozialen Bereich. Und schließlich gehören auch die von Gemeinwesenarbeitern eingesetzten Verfahren hierher. Sie sind leicht und geben Anstößen den Vorzug vor Anordnungen. In der Gemeinwesenarbeit, wie man sie in der Near West Side von Chicago praktizierte, war diese Leichtigkeit untrennbar mit dem Ziel verbunden, die Bewohner an die komplizierten Verhältnisse in der Gemeinde zu gewöhnen.
All diese dialogischen sozialen Erfahrungen sind Formen der Verkörperung sozialen Wissens. Und »Verkörperung« ist hier mehr als nur eine Metapher. Wie die soziale Gebärde ist auch das auf minimale Kraft setzende Verhalten eine sinnliche Erfahrung, bei der wir uns im Zusammensein mit anderen sowohl physisch als auch mental wohlfühlen, weil wir ungezwungen agieren. Das ist vielleicht der Grund, weshalb Castiglione auf sprezzatura verfiel, als er nach einem Wort für höfliche Umgangsformen suchte – sprezzatura ist ein alter italienischer Ausdruck, der ursprünglich »federnd« bedeutete. Diese Art von Vergnügen erleben wir, wenn wir einen entspannten sozialen Umgang pflegen.
Die Erfahrung minimalen Krafteinsatzes in sozialen Beziehungen unterscheidet sich in all ihren Formen von der im sechsten Kapitel behandelten Angstreduktion. Die Angstreduktion zielt auf die Verringerung äußerer Reize und erfolgt durch individuellen Rückzug. Bei der minimalen Kraftentfaltung, sowohl physisch als auch sozial, können wir dagegen sensibler für andere werden, engere Verbindungen zu unserer Umgebung aufbauen und stärker auf sie eingehen. So kann es geschehen, dass Dinge oder Menschen, die sich unserem Willen widersetzen, und die Erfahrungen, die sich einem unmittelbaren Verständnis entziehen, um ihrer selbst willen zählen.
Wir haben also drei Arten, Dinge herzustellen, die jeweils voller sozialer Implikationen sind. Der Rhythmus der Entwicklung körperlicher Fertigkeiten kann Rituale verkörpern; Gesten, die zwischen den Menschen ausgetauscht werden, können das informelle soziale Dreieck verkörpern; und minimaler Krafteinsatz kann Reaktionen auf Menschen verkörpern, die Widerstand leisten oder anders sind. Wie lassen sich die drei Arten nun nutzen, um soziale Beziehungen zu verbessern? Und wie ließe sich insbesondere die Kooperation durch diese verkörperten Fertigkeiten stärken?
Bei diesen Fragen geht es um soziale Reparaturen. Wir werden dem Problem der sozialen Reparatur in den verbleibenden Kapiteln dieses Buches nachgehen. Und dazu müssen wir zunächst einmal verstehen, was Reparieren an sich bedeutet.
Reparieren
Es gibt drei Arten, eine Reparatur durchzuführen. Man kann defekte Dinge wie neu erscheinen lassen, man kann Dinge in ihrer Funktionsweise verbessern, und man kann sie vollständig verändern. Im technischen Jargon spricht man hier von Restaurierung, Sanierung und Umbau. Bei der Restaurierung geht es darum, das Objekt in seinem Originalzustand zu erhalten. Bei der Sanierung ersetzt man Teile des Objekts durch bessere Teile oder Materialien und behält nur die ursprüngliche Form bei. Beim Umbau schließlich verändert man sowohl die Form als auch die Nutzung des betreffenden Objekts. Alle drei Reparaturformen setzen die Einschätzung voraus, dass man den Defekt tatsächlich beheben kann. Ein Gegenstand, bei dem das nicht möglich erscheint, zum Beispiel ein zersprungenes Weinglas, gilt in technischer Hinsicht als »hermetisches Objekt«, das keine weitere Bearbeitung zulässt. Kooperation ist kein in diesem Sinne hermetisches Objekt, das sich nicht reparieren ließe. Die ursprünglichen Quellen – ob genetischer Art oder in der frühen menschlichen Entwicklung angelegt – haben vielmehr, wie oben gezeigt, fortdauernden Bestand und lassen daher eine Reparatur zu.
Die sozialen und politischen Implikationen der einzelnen Reparaturformen werden deutlicher, wenn wir uns konkrete Beispiele ansehen.
Ein Beispiel für die »Fast-wie-neu-Reparatur« ist die Arbeit des Porzellanrestaurators, der darauf bedacht ist, möglichst wenig Spuren seiner eigenen Arbeit zu hinterlassen, so dass man kaum noch erkennt, dass der Gegenstand überhaupt zerbrochen war. Eine Restaurierung dieser Art ist eine Arbeit, die sich selbst
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