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zum Verschwinden bringt; dabei geht der Restaurator keineswegs geistlos vor, sondern versucht vielmehr ganz bewusst, eine Illusion zu erzeugen. Seine Tätigkeit ist sehr anspruchsvoll und kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sie jedem Detail größte Aufmerksamkeit schenkt. Geschickte Porzellanrestauratoren sammeln nicht nur sämtliche sichtbaren Splitter des zerbrochenen Gefäßes, sondern selbst noch den Staub auf dem Tisch, auf dem es vorher stand. Die im Staub enthaltenen Mikroteilchen verwendet er dann zur Herstellung der Reparaturmasse.
Der Restaurator, der die eigene Arbeit zum Verschwinden bringen will, muss auch entscheiden, welche Zeit er wiederherstellen soll. Ist der Zustand, den das Objekt bei seiner Herstellung hatte, der »authentische« Zustand? Bei der Restaurierung von Gemälden ist das ein großes Problem. Als man bei der Restaurierung der Sixtinischen Kapelle vor einiger Zeit den Fresken wieder die Farben gab, die sie hatten, als die Bilder gemalt wurden, war das für manche Betrachter ein Albtraum, nicht nur, weil die ursprünglichen Farben recht grell wirken, sondern auch, weil der »Anteil des Betrachters« eliminiert wurde, wie Ernst Gombrich einmal im Blick auf solche Restaurierungen gesagt hat. Die Wahrnehmung der Sixtinischen Kapelle ist über Jahrhunderte durch den Alterungsprozess der Gemälde geprägt worden. 12 Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass die Restaurierung durchaus nicht den »Originalzustand« wiederhergestellt habe. Andere Restauratoren hätten die Kapelle in einen Zustand zurückversetzt, den sie zu einem anderen Zeitpunkt in der Vergangenheit hatte, und damit hätten sie beim Betrachter vielleicht eher das Gefühl geweckt, nun mehr vom Original zu sehen.
Bei alledem erfordert die Restaurierung vom Handwerker eine gewisse Bescheidenheit. Es geht nicht darum, dem Werk seine eigene Handschrift aufzuprägen. Er begreift sich vielmehr als Werkzeug der Vergangenheit. »Authentizität« bedarf zweifellos der Diskussion, aber die daran Beteiligten dürfen sich grundsätzlich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen.
Stärker zum Zuge kommt die Handschrift des Reparierenden in der Sanierung. Sie bewahrt die vorhandene Form und ersetzt allenfalls alte Teile durch neue oder verbesserte einzelne Elemente. Geigenrestauratoren verwenden heute zum Beispiel vielfach andere Hölzer für Wirbel oder Stimmstöcke als die Geigenbauer zu Stradivaris Zeiten. Die neuen Materialien sind vielfach eine echte Verbesserung. Stradivari war zwar ein Genie, aber er ist kein Heiligtum, das man nicht antasten dürfte. Obwohl es erkennbare Veränderungen gibt, dient das Objekt doch weiterhin demselben Zweck und kann auf dieselbe Weise verwendet werden wie zuvor.
Zur Sanierung bedarf es der Erfindungsgabe, das heißt, man muss wissen, welche Alternativen für einen Ersatz in Frage kommen und wie man diese Alternativen in das vorhandene Objekt einbaut. Diese Art der Reparatur erfordert außerdem ein umsichtiges Urteil über die Anpassungsfähigkeit des Objekts im Blick auf die Zeit. Angesichts der Notwendigkeit, ein feuergefährliches Strohdach zu erneuern, entscheidet der Restaurator sich vielleicht für ein ähnlich aussehendes Dach aus feuerfestem synthetischem Material, das möglicherweise zugleich auch die oberste Lage einer Dämmschicht bildet, die für eine größere Energieeffizienz sorgt. In diesem Fall verbindet die Sanierung den Stoff mit der Funktion.
Das heißt, bei der Sanierung muss man zwischen verschiedenen Mitteln wählen, die denselben Zweck erfüllen. Der ursprüngliche Hersteller oder Erbauer entschied sich nur für eines dieser Mittel. Die soziale Entsprechung des Sanierers ist kein Visionär. Er repariert, und die Erfindungsgabe gehört zum Bestand der dazu erforderlichen Fertigkeiten. Er kennt die Alternativen.
In technischer Hinsicht ist der Umbau die radikalste Form von Reparatur. Das defekte Objekt dient als Ausgangspunkt für die Herstellung eines neuen Objekts mit anderer Funktion und anderer Form als das alte. Das sind die Reparaturen, mit denen Chipperfields Team sich beschäftigte. Ein neueres Beispiel aus der Industrie ist der mechanische Greifarm, mit dem man in modernen Bäckereien das Brot im Ofen bewegt und bearbeitet. Ursprünglich handelte es sich um ein einfaches schaufelartiges Gerät, mit dem man Brotlaibe im Ofen bewegen konnte, doch dieser Arm war so grob konstruiert, dass manche Laibe verbrannten, während andere am Ende nur halb durchgebacken waren. In
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