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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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möchte ich noch einmal zu diesem Schauplatz zurückkehren. Die Probleme, Freuden und Folgen der Kooperation zeigten sich bei den Menschen, die einst in diesem heruntergekommenen, von geschäftigem Leben erfüllten Gebäude in der Near West Side der Stadt aus und ein gegangen waren. Jedenfalls erschien es mir so, als ich Jahrzehnte später zurückkehrte, um auf Initiative des Nachbarschaftsheims dort ein Wochenende mit gut dreißig afroamerikanischen Erwachsenen zu verbringen, die in diesem Teil des Chicagoer Ghettos aufgewachsen waren. 1
    Die Erinnerung spielte den Nachbarn aus Kindertagen denselben Streich wie allen etwas älteren Menschen. Die Erfahrung vieler Jahre des Wandels findet sich mitunter in der Erinnerung an ein Gesicht oder einen Raum komprimiert. Die schwarzen Kinder, mit denen ich aufwuchs, hatten einen überzeugenden Grund, sich in dieser Weise zu erinnern. Sie waren Überlebende. Nach einer von bedrückender Armut geprägten Kindheit und einer Jugend voller Zweifel am eigenen Wert und dem, was man der Welt bieten konnte, fragten sie sich später in ihrem Leben verwundert, warum sie überlebt hatten, während so viele Kameraden aus der Zeit ihrer Kindheit der Sucht oder dem Verbrechen erlegen waren oder ein Leben an den Rändern der Gesellschaft führten. Deshalb wählten sie eine Person, einen Ort oder ein Ereignis aus, dem sie einen prägenden Einfluss zuschreiben und die Rolle eines Talismans zuweisen konnten. Das Nachbarschaftsheim wurde solch ein Talisman, ebenso die strenge katholische Schule oder der Sportverein, der von einer Organisation namens Police Athletic League getragen wurde.
    Meine Kindheitsgefährten waren keine Helden. Sie stiegen nicht vom Tellerwäscher zum Millionär auf und entpuppten sich nicht als afroamerikanische Beispiele des amerikanischen Traums. Nur wenige schafften es bis auf die Universität. Die meisten machten immerhin einen Sekundarschulabschluss und nahmen danach Jobs als Sekretärinnen, Feuerwehrleute, Verkäufer oder Angestellte in der Stadtverwaltung an. Ihre Einkünfte, die einem Außenstehenden bescheiden erscheinen mögen, waren in ihren Augen doch riesig. In den vier Tagen unseres Beisammenseins besuchte ich einige von ihnen zu Hause und sah dort die häuslichen Anzeichen des Weges, den wir alle zurückgelegt hatten: ordentliche kleine Gärten mit gepflegten Pflanzen, ganz anders als die von Glasscherben übersäten, mit Ketten eingezäunten Grünflächen, die wir als Kinder gekannt hatten; die Wohnungen vollgestopft mit Krimskrams und sorgsam gewienerten Möbeln, auch das ein deutlicher Gegensatz zu den nackten, abgenutzten Wohnungen, die wir früher als unser »Heim« bezeichnet hatten.
    Bei unserem Treffen im Nachbarschaftsheim zeigten die Teilnehmer sich erstaunt darüber, was aus dem Viertel seit unserem Weggang geworden war. Es war noch tiefer gesunken, als wir es uns jemals vorgestellt hätten, und war nun ein wüstes Archipel aus verlassenen Häusern und isolierten Wohnblocks, in deren Aufzügen es nach Urin und Exkrementen stank, ein Gebiet, in dem kein Polizist auf telefonische Hilferufe reagierte und die meisten Jugendlichen ein Messer oder eine Pistole bei sich trugen. Da erschien der Talisman eines Ortes oder Gesichts noch nötiger, um das glückliche Entkommen zu erklären.
    Die Verwalter des Nachbarschaftsheims und der ältere Polizist, der die Police Athletic League repräsentierte, waren natürlich froh über den in den Teilnehmern verkörperten Beweis, dass ihre Arbeit nicht vergebens war, aber sie waren auch realistisch genug, nicht allzu sehr an ihre verändernde Macht zu glauben. Viele Kinder, die sich im Nachbarschaftsheim an Musikinstrumenten versuchten oder auf einem nahegelegenen asphaltierten Platz Basketball spielten, landeten am Ende im Gefängnis. Und die Überlebenden waren gleichfalls mit der Vergangenheit nicht fertig. Auch als Erwachsene hatten sie noch mit Problemen zu kämpfen, mit denen sie sich in der Kindheit auseinandersetzen mussten. Diese gleichsam unerledigten Aufgaben lassen sich unter drei Überschriften zusammenfassen.
    Die erste betrifft die Moral, die Aufgabe, trotz widriger Umstände den Mut nicht zu verlieren. Das ist leicht gesagt, aber in der Praxis nicht so leicht zu erklären, denn meine Nachbarn hatten als Kinder allen Grund, den Mut zu verlieren, und mochten selbst heute noch gelegentlich nachts aufwachen, weil sie sich Sorgen wegen einer unbezahlten Rechnung oder einiger Probleme bei der Arbeit

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