Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält
informellen sozialen Dreiecks etwas, das diesen diplomatischen Ritualen vergleichbar ist, aber die aktuellen Veränderungen im Arbeitsleben erschweren die Entwicklung und Ausübung dieser Fertigkeiten. Während der Sozialist auf einer umfassenden Kapitalismuskritik besteht, fungiert der Berufsdiplomat – sicher unbeabsichtigt – als Kritiker jener sozialen Praktiken in der Arbeitswelt, die dafür verantwortlich sind, dass Menschen, die anders sind, nicht gut zusammenarbeiten.
Durch die in diesem Kapitel behandelten Themen der indirekten Kooperation, des Konfliktmanagements, der diplomatischen Techniken und des Verhaltens auf Sitzungen zieht sich ein roter Faden: Stets handelt es sich um Darbietungen, allerdings anderer Art, als Mazarin sie für Ludwig XIV. auf die Bühne brachte. Der tanzende König inszenierte die Distanz gegenüber seinen Untertanen und seine Herrschaft über sie. Mrs Schwartz, die koreanischen Lebensmittelhändler und Satows Diplomaten inszenieren dagegen ihren Umgang mit anderen Menschen, indem sie eine gesellige Maske tragen.
Die gesellige Maske
Wie im ersten Kapitel angemerkt, glaubte Simmel, dass die Bewohner der modernen Großstadt ihre innere Erregung angesichts der vielfältigen Reize der Straße hinter einem kühlen, undurchdringlichen Gehabe verbargen. La Rochefoucauld sah in der Maske eine Metapher für das Bemühen, anders zu erscheinen, als man in Wirklichkeit ist: »In allen Ständen heuchelt ein jeder Miene und Äußeres, um zu scheinen, für was er gehalten sein will.« 23 Masken der verhüllenden, schützenden Art finden sich in allen Bereichen des sozialen Lebens. Der Arbeitssuchende muss bei Bewerbungsgesprächen ebenso eine Maske tragen wie Theodore Kheel bei Tarifverhandlungen. Die deutschen Diplomaten in Versailles trugen bei den Verhandlungen über die Bedingungen des Friedensvertrages nach dem Ersten Weltkrieg eine Maske, und die Koreaner in New York trugen die Maske des Schweigens. Die verhüllende Maske muss nicht unbedingt dem Selbstschutz dienen; Höflichkeit und Takt sollen Gefühle verbergen, die für andere möglicherweise verletzlich sein könnten.
Da die verhüllende Maske so allgegenwärtig ist, fällt es vielleicht schwer, sich eine andere, eine gesellige Maske vorzustellen, die das Erleben intensiver und aufregender macht. Doch wenn wir uns die Maske als konkreten Gegenstand denken, ist diese Möglichkeit schon eher verständlich. Die Maske ist eine der ältesten Theaterrequisiten der Kultur und stellt eine Verbindung zwischen Bühne und Straße her.
Die Larve ist eine einfache Brillenmaske, wie man sie aus alten Darstellungen von Maskenbällen kennt. Sie kam in Europa im 15. Jahrhundert in Mode. Ihr Vorbild stammt aus der commedia dell’arte , wie sie ab dem 13. Jahrhundert auf den Straßen aufgeführt wurde. In Gesellschaft diente die Larve der sexuellen Erregung. Auf Bällen trugen Frauen Satinmasken, die von den Wangenknochen bis über die Augenbrauen reichten und mit Sehschlitzen versehen waren. Die Larve signalisierte, dass der Träger oder die Trägerin auf Vergnügungen aus war. Auf Straßenfesten vor dem Beginn der Fastenzeit gab die Larve insbesondere Frauen die Freiheit, umherzuwandern und mit Fremden zu flirten. Das kleine Stück Tuch erlaubte die Fiktion, nicht erkannt zu werden, obwohl diese kleinen Masken die Identität ihrer Trägerin kaum zu verbergen vermochten. Sie erlaubten die Fiktion, frei zu sein. Die Maske gestattete es, die körperliche Schicklichkeit vorübergehend außer Acht zu lassen, und verlieh dem Vergnügen Anonymität.
Eine nüchternere physische Erfahrung fand ihren Ausdruck in den Masken, die jüdische Ärzte in Venedig vom 14. bis zum 17. Jahrhundert trugen. Diese seltsamen, aus Pappmaché gefertigten, bemalten Masken begannen über der Oberlippe und bedeckten das restliche Gesicht fast vollständig. Über der Nase befand sich ein langer, gebogener Schnabel, doch die breiten Augenschlitze ließen Augen und Augenbrauen frei, so dass man sie erkennen konnte. Die meisten Christen scheuten sich vor einem Körperkontakt mit Juden, aber die meisten Ärzte in Venedig waren Juden. Die Maske sollte diese Angst überwinden helfen. Wenn der Arzt die Vogelmaske trug, entspannten sich die Patienten und ertrugen es, dass sie von einem Juden betastet, gezupft und gestupst wurden, schienen diese Berührungen doch von einem seltsamen Wesen auszugehen.
Manche Masken sorgen für eine einseitige, gelegentlich bösartige Stimulation.
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