Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
es doch mit eigenen Augen, wie sich das feindliche Heer zwischen mir und Schottland ausbreitete.« versetzte Karl, »und kann fast sagen, ich hörte mit eigenen Ohren die Bedingnisse des Handels beraten.« Die schottischen Häuptlinge blickten sich an und runzelten die Stirne. »Sire,« murmelte der Graf von Lewen, gebeugt von der Last der Scham, »wir sind bereit, jeden Beweis zu liefern, Sire.«
»Ich begehre nur einen,« versetzte der König. »Stellt das Heer in Schlachtordnung, und laßt uns gegen den Feind ziehen.«
»Das ist nicht möglich, Sire,« entgegnete der Graf. »Wie, das ist nicht möglich? was steht denn der Möglichkeit im Wege?« sprach Karl I. »Eure Majestät weiß ja, es besteht zwischen uns und dem englischen Heere ein Waffenstillstand,« erwiderte der Graf. »Wenn ein Waffenstillstand besteht, so hat ihn das englische Heer dadurch gebrochen, daß es die Stadt wider die Bedingnisse verließ, die es dort eingeschlossen hielten. Nun sage ich aber, Ihr müßt Euch mit mir durch dieses Heer schlagen, um nach Schottland zurückzukehren, und wenn Ihr es nicht tut, nun, so wählt zwischen den beiden Namen, welche Männer in den Augen anderer Männer verächtlich und häßlich machen. Ihr seid entweder Feige, oder Ihr seid Verräter.« Die Augen der Schotten flammten, und, wie das bei solchen Gelegenheiten öfter geschieht, sie gingen von der tiefsten Scham zur größten Unverschämtheit über, und zwei Häuptlinge von Clans traten zu jeder Seite des Königs und sagten: »Ja doch, wir haben gelobt, Schottland und England von demjenigen zu befreien, der seit fünfundzwanzig Jahren das Blut und das Gold von England und Schottland trinkt. Wir haben es angelobt, und halten unser Versprechen. König Karl Stuart, Ihr seid unser Gefangener.« Beide streckten zugleich die Hand aus, um den König zu ergreifen; allein, ehe noch die Spitzen ihrer Finger den König berührten, lagen beide auf dem Boden, der eine ohnmächtig, der andere tot. Athos hatte den einen mit einem Pistolenschuß niedergeschmettert, und Aramis dem andern das Schwert durch den Leib gestoßen.
Während nun der Graf von Lewen und die andern Häuptlinge, entsetzt über diesen unvermuteten Beistand, zurückwichen, der demjenigen vom Himmel zu kommen schien, den sie schon als ihren Gefangenen betrachteten, zogen Athos und Aramis den König aus dem Gezelte des Meineides, in das er so unklug getreten war; dann sprangen alle drei auf die Pferde, welche die Diener bereit hielten, und sprengten wieder im Galopp dahin auf dem Wege nach dem königlichen Gezelte. Im Vorüberreiten sahen sie Lord Winter an der Spitze seines Regiments herbeieilen. Der König gab ihm ein Zeichen, sie zu begleiten.
Der Rächer
Alle vier traten in das Gezelt; es war noch kein Plan gefaßt, das mußte erst geschehen. Der König sank in einen Lehnstuhl und seufzte: »Ich bin verloren!«
»Nein, Sire,« entgegnete Athos, »Sie sind nur verraten!«
»Verraten, und durch die Schotten verraten, in deren Mitte ich geboren bin, die ich immer den Engländern vorgezogen habe. O, die Nichtswürdigen!«
»Sire,« versetzte Athos, »jetzt ist nicht Zeit zu Vorwürfen, sondern der Moment, zu zeigen, daß Sie König und Edelmann sind; Mut, Sire, Mut! Sie haben hier wenigstens drei Männer, die Sie nicht verraten werden, da können Sie ruhig sein. Ha, wären wir doch unser fünf!« murmelte Athos und dachte an d'Artagnan und an Porthos. »Was sagt Ihr?« fragte Karl und stand auf. »Sire, ich sage, daß es nur noch ein Mittel gibt; Mylord Winter steht so ziemlich für sein Regiment, streiten wir uns nicht über Worte; er stellt sich an die Spitze desselben, wir stellen uns Ew. Majestät zur Seite, brechen uns eine Bahn durch Cromwells Heer und erreichen Schottland.«
»Es gibt noch ein anderes Mittel,« bemerkte Aramis, »daß nämlich einer von uns den Anzug des Königs und sein Pferd nimmt. Indes man nun diesen angriffe, könnte der König vielleicht entkommen.«
»Der Rat ist gut.« sprach Athos, »und will Ew. Majestät einem von uns diese Ehre erweisen, so wollen wir dafür sehr dankbar sein.«
»Was sagt Ihr zu diesem Rate, Winter?« fragte der König, indem er voll Bewunderung auf die zwei Männer blickte, die einzig dafür besorgt waren, die Gefahren, welche ihm drohten, auf ihrem Haupte zu sammeln. »Ich denke, Sire, wenn es ein Mittel gibt, Ew. Majestät zu retten, so ist es das, welches Herr d'Herblay in Vorschlag brachte. Sonach bitte ich Ew. Majestät untertänigst,
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