Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
recht wohl, daß Ihr nicht lange mein Gefangener sein werdet.« »Nein,« versetzte Aramis, »denn man wird uns sicher gleich denen behandeln, welche in Philipphous gemacht wurden.«
»Wie hat man sie denn behandelt?« fragte d'Artagnan.
»Ei,« entgegnete Aramis, »die eine Hälfte ist gehenkt, die andere erschossen worden.«
»Nun,« sprach d'Artagnan, »ich bürge Euch dafür, so lange noch ein Tropfen Blutes in meinen Adern rollt, sollt Ihr weder gehenkt, noch erschossen werden. Ha, sie sollen nur kommen, und überdies, Athos, seht Ihr jene Türe?«
»Nun?«
»Nun, geht durch diese Türe, wann es Tuch gefällig ist, denn von dieser Minute an seid Ihr und Aramis frei wie die Luft.«
»Daran erkenne ich Euch ganz, wackerer d'Artagnan, doch habt Ihr keine Macht mehr über uns, denn diese Türe wird bewacht, wie Ihr selber wißt,« erwiderte Athos.
»Nun, so brecht gewaltsam durch,« versetzte Porthos; »was gibt es denn – aufs höchste nur zehn Mann! –«
»Das wäre nichts für uns vier, aber zu viel für uns zwei.«
»Nein, seht, getrennt, wie wir sind, müssen wir zu Grunde gehen. Blickt auf das verhängnisvolle Beispiel hin: d'Artagnan, der Ihr so mutvoll seid, Ihr wurdet auf der Straße von Vendemois geschlagen; heute ist an uns die Reihe, an mir und Aramis. Das ist uns aber nie geschehen, so lange wir alle vier verbunden waren; lasset uns somit sterben, wie Lord Winter gestorben ist. Was mich betrifft, so erkläre ich, daß ich nur dann in eine Flucht einwillige, wenn wir alle vier entfliehen.«
»Das ist unmöglich,« antwortete d'Artagnan, »da wir unter Mazarins Befehl stehen.«
»Das weiß ich, ich will auch nicht länger in Euch dringen; meine Gründe waren wirkungslos: sie waren zweifelsohne falsch, da sie über so verständige Männer, wie Ihr seid, kein Gewicht hatten.«
»Und hätten sie übrigens auch Eindruck gemacht,« bemerkte Aramis, »so ist es doch am besten, zwei so vortreffliche Freunde, wie d'Artagnan und Porthos sind, nicht bloßzustellen. Was mich betrifft, so bin ich stolz darauf, mit Euch, Athos, den Kugeln und sogar dem Stricke entgegen zu gehen, denn Ihr erschienet mir noch nie so groß wie heute.« »Meinet Ihr etwa,« sagte d'Artagnan, »daß man Euch töten werde? und weshalb? wem liegt denn an Euerm Tode? überdies seid Ihr unser Gefangener« »Narr! dreifacher Narr!« versetzte Aramis. »Kennst du nicht Mordaunt? Nun, ich wechselte nur einen Blick mit ihm, und sah es schon, daß wir verurteilt sind.« »Die Wahrheit ist, daß es mich kränkt, ihn nicht erwürgt zu haben, wie Ihr mir sagtet, Aramis,« entgegnete Porthos. »Ha! was,« rief d'Artagnan, »was kümmert mich denn Mordaunt? Bei Gott, kommt mir dieses Ungeziefer zu nahe, so will ich es zertreten. Entfliehet also nicht, es ist unnötig, denn ich schwöre Euch, hier seid Ihr sicher.« »Hört,« sprach Athos, während er die Hand nach einem der zwei Gitterfenster ausstreckte, die das Zimmer erhellten, »Ihr werdet sogleich wissen, woran Ihr Euch zu halten habt, denn seht, er eilt herbei.« »Wer?« »Mordaunt.« Er folgte der Richtung von Athos' Hand, und sah wirklich einen Reiter im Galopp herankommen. Das war in der Tat Mordaunt. D'Artagnan verließ hastig das Zimmer. Porthos wollte ihm folgen. »Bleibt,« rief d'Artagnan, »und kommt dann erst heraus, wenn Ihr hört, daß ich mit dem Finger an die Türe poche.«
Das Losungswort
Als Mordaunt vor dem Hause ankam, sah er d'Artagnan an der Schwelle und die Soldaten hie und da auf dem Rasen des Gartens liegen. »Holla!« rief er mit einer von der Eile seines Rittes verdumpften Stimme, »sind die Gefangenen doch hier?« »Ja, mein Herr,« entgegnete der Sergeant, während er rasch aufstand, wie seine Mannschaft, welche gleich ihm die Hand an den Hut legte. »Gut, vier Mann, um sie festzunehmen, und allsogleich nach meiner Wohnung zu führen.« Vier Mann schickten sich dazu an. »Was? –« fragte d'Artagnan mit jener schelmischen Miene, welche unsere Leser schon öfter an ihm bemerken mußten, seit sie ihn kennen; »was ist's, wann es beliebt?« »Mein Herr,« versetzte Mordaunt, »ich habe vier Mann den Befehl gegeben, die Gefangenen festzunehmen, die wir heute früh gemacht haben, um sie in meine Wohnung zu bringen.« »Weshalb denn?« fragte d'Artagnan. »Vergebt meine Neugierde; doch Ihr begreift wohl, daß ich hierüber zufriedengestellt sein will.« »Weil jetzt die Gefangenen mir gehören,« erwiderte Mordaunt hochtrabend, »und ich nach meinem Belieben
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