Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
d'Artagnan, seht, wozu Euch dieser Mazarin gebraucht! Wißt Ihr, welches Verbrechen Ihr heute begangen habt? Ihr seid mitschuldig an der Gefangennehmung, an der Beschimpfung, an dem Tod des Königs.«
»O, o!« rief Porthos, »glaubt Ihr?«
»Ihr übertreibt, Athos,« versetzte d'Artagnan, »so weit sind wir nicht.«
»Ach, mein Gott! wir sind nahe daran. Weshalb verhaftet man einen König? Will man ihn wie einen Herrn verehren, so kauft man ihn nicht wie einen Sklaven. Glaubt Ihr denn, Cromwell habe ihn für zweimalhunderttausend Pfund Sterling gekauft, um ihn wieder auf den Thron zu setzen? Freund, sie werden ihn töten, seid überzeugt, und das ist noch das geringste Verbrechen, welches sie begehen können.«
»Ich will nicht sagen, nein! und am Ende ist es möglich,« versetzte d'Artagnan.
»Ich bin hier, weil ich Soldat bin, weil ich meinen Herren diene, nämlich denen, welche mir meinen Sold geben. Ich habe Gehorsam geschworen, und ich gehorche. Doch Ihr, die Ihr keinen Eid geleistet habt, weshalb seid Ihr da, und welcher Partei dient Ihr?« »Wir dienen der heiligsten Sache von der Welt.« erwiderte Athos, »der des Unglücks, des Königtums und der Religion. Ein Freund, eine Gattin, eine Tochter erzeigten uns die Ehre und sprachen unsere Hilfe an. Wir dienten ihnen auch nach unseren schwachen Kräften, und Gott wird uns den Willen in Ermangelung der Macht anrechnen. Ihr könnt auf eine andere Weise urteilen, d'Artagnan, die Sache aus einem anderen Gesichtspunkt betrachten, mein Freund! ich will Euch nicht abhalten, doch muß, ich Euch tadeln.« »O, o!« rief d'Artagnan. »Und was liegt mir zuletzt daran, ob sich Herr Cromwell, der ein Engländer ist, wider seinen König auflehnt, der ein Schotte ist? Ich bin Franzase, und das alles geht mich nichts an; weshalb wollt Ihr mich also verantwortlich machen?« «Wirklich?« sprach Porthos. »Weil alle Kavaliere Brüder sind, weil Ihr Edelmann seid, weil die Könige aller Länder die ersten unter den Adeligen sind, weil das blinde, undankbare und alberne Volk stets eine Lust daran hat, das zu erniedrigen, was über ihm steht; und Ihr, d'Artagnan, Ihr, ein Mann von altem Adel, ein Mann mit schönem Namen, ein Mann mit tapferem Schwerte, Ihr habt mitgeholfen, einen König den Bierhändlern, Schneidern und Kärrnern zu überliefern. Ach, d'Artagnan, als Soldat habt Ihr vielleicht Eure Schuldigkeit getan, doch sage ich Euch, als Edelmann seid Ihr strafbar.« »Und Ihr, Porthos,« begann der Graf wieder, als fühlte er Mitleid mit d'Artagnan, »Ihr, das beste Herz, der beste Freund, der wackerste Soldat, den ich kenne, Ihr, den seine Seele würdig gemacht hätte, an den Stufen eines Thrones geboren zu werden, und der früher oder später von einem weisen König belohnt werden wird; Ihr, mein lieber Porthos, Ihr, Edelmann durch Sitten, Denkungsart und Mut, Ihr seid ebenso schuldig wie d'Artagnan.« Porthos errötete, doch mehr vor Vergnügen als vor Betroffenheit, indes senkte er den Kopf, als wäre er sehr gedemütigt. »Ja, ja,« versetzte er, »lieber Graf, ich glaube, Ihr habt recht.« Athos stand auf, schritt auf d'Artagnan zu und sagte: »Nicht doch, mein lieber Sohn, schmollet nicht, denn alles, was ich Euch sagte, habe ich Euch, wenn auch nicht mit der Stimme, doch wenigstens mit dem Herzen eines Vaters gesagt. Glaubt mir, es wäre mir viel leichter gefallen, Euch für die Errettung meines Lebens zu danken, und kein einzig Wort von meinen Empfindungen zu erwähnen.« »Allerdings, Athos, allerdings,« erwiderte d'Artagnan, ihm gleichfalls die Hand drückend, »doch zum Teufel, Ihr habt auch Empfindungen, die nicht jeder haben kann. Wer konnte denn denken, ein bedächtiger Mann werde sein Haus, werde Frankreich, werde sein Mündel, einen jungen, liebenswürdigen Mann – denn wir sahen ihn im Lager – deshalb verlassen, um einem morschen, durchnagten Königtume zu Hilfe zu kommen, das eines Tages gleich einer alten Baracke zusammenstürzen wird? Das Gefühl, von dem Ihr redet, ist schön, wahrlich, jedoch so schön, daß es übermenschlich ist.«
»Wie dem auch sei, d'Artagnan,« versetzte Athos, ohne in die Schlinge zu gehen, die sein Freund mit gascognischer Schlauheit seiner Liebe zu Rudolf legte, »wie dem auch sei, Ihr wisset ganz wohl im Grunde Eures Herzens, was gerecht ist; allein ich habe unrecht, mit meinem Gebieter zu streiten. D'Artagnan, ich bin Euer Gefangener, behandelt mich als solchen.«
»Ha, bei Gott!« sprach d'Artagnan, »Ihr wisset
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