Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
kräftigen Glieder zu bewundern. An der Straßenecke begegnete er Mousqueton, und nahm ihn mit. D'Artagnan pfiff nun eine kleine Arie, die er bei Porthos' Fortgehen angefangen hatte, und kehrte in das Zimmer zurück. »Lieber Athos,« sprach er, »ich habe über Eure Gründe nachgedacht, und sie haben mich überzeugt: ich bedauere wahrlich, daß ich an dieser Angelegenheit teilhabe. Wie Ihr gesagt habt, so ist Mazarin geizig: Ich bin somit entschlossen, mit Euch zu fliehen, haltet Euch ohne alle Bedenklichkeit bereit, Eure Schwerter stehen dort im Winkel, vergesset sie nicht, das ist ein Werkzeug, das uns unter den gegenwärtigen Umständen sehr ersprießlich sein wird; das gemahnt mich an Porthos' Börse: wohl, da liegt sie.« Und d'Artagnan steckte die Börse in seine Tasche, die beiden Freunde sahen ihm verwunderungsvoll zu. »Nun,« fragte d'Artagnan, »was gibt es denn da zu verwundern? Ich war blind, Athos ließ mich sehen, das ist alles. Kommt hierher.« Die zwei Freunde traten zu ihm. »Seht Ihr dort die Straße,« sagte d'Artagnan, »dort werden die Pferde sein; Ihr geht da durch die Türe hinaus, wendet Euch links, schwingt Euch in den Sattel, und alles wird unbekümmert sein. Besorget Such um nichts, sondern horcht genau auf das Losungswort, und dieses wird sein 'Jesus, mein Herr!'«
»Doch werdet Ihr auf Euer Wort kommen, d'Artagnan?« fragte Athos. »Ich schwöre es bei Gott.«
»So ist es abgemacht,« versetzte Aramis. »Bei dem Rufe: Jesus, mein Herr! verlassen wir das Zimmer, werfen alles nieder, was sich uns widersetzt, eilen zu unseren Pferden, sitzen auf und sprengen fort. Nicht so?«
»Vollkommen.«
»Hört, Aramis,« sprach Athos, »ich sagte es immer, daß d'Artagnan der Beste von uns allen ist.«
»Gut!« rief d'Artagnan, »das sind Komplimente, ich gehe. Gott befohlen.«
»Und Ihr entflieht mit uns, nicht wahr?«
»Das will ich meinen; vergesset nicht das Losungswort: Jesus, mein Herr!« D'Artagnan berief den Sergeanten. »Lieber Herr,« sprach er zu ihm, »der General Cromwell ließ mich durch Herrn Mordaunt rufen; ich bitte, wachet gut über die Gefangenen.« Der Sergeant machte ein Zeichen, daß er nicht französisch verstehe. D'Artagnan versuchte, ihm nun das durch Gebärden begreiflich zu machen, was er durch Worte nicht begriffen hatte. Der Sergeant winkte, daß es gut sei. Sonach ging d'Artagnan in die Ställe und fand die fünf Pferde gesattelt, das seinige so gut wie die anderen. »Nehmt nun jeder ein Pferd zur Hand,« sprach er zu Porthos und Mousqueton, »und wendet Euch links hin, damit Euch Athos und Aramis vom Fenster aus gut sehen.«
»Sie werden also kommen?« fragte Porthos. »Im Augenblicke.«
»Habt Ihr auch meine Börse nicht vergessen?«
»Nein, seid unbekümmert.«
»Wohl!« Porthos und Mousqueton verfügten sich an ihren Posten, während jeder ein Pferd an der Hand nachzog. Als nun d'Artagnan allein war, schlug er Feuer, zündete ein etwa zwei Linsen großes Stück Schwamm an, stieg zu Pferde und hielt der Türe gegenüber mitten unter den Soldaten an. Hier steckte er dem Tiere, indem er es mit der Hand streichelte, jenes kleine Stück glühenden Schwammes in das Ohr. Man mußte ein vortrefflicher Reiter sein wie d'Artagnan, um ein solches Mittel zu wagen, denn das Tier empfand noch kaum den glimmenden Brand, so erhob es ein schmerzvolles Wiehern, bäumte sich und sprang, als wäre es toll geworden. Die Soldaten, die es zu zermalmen drohte, liefen schnell davon. »Zu Hilfe! zu Hilfe!« schrie d'Artagnan, »haltet mein Pferd, es hat den Koller, haltet mein Pferd!« Und wirklich schien ihm augenblicklich das Blut aus den Augen zu dringen, und es wurde weiß von Schaum. »Zu Hilfe!« schrie d'Artagnan ununterbrochen; die Soldaten wagten aber nicht, ihm beizustehen. »Zu Hilfe! wollt Ihr mich denn umkommen lassen? – Jesus, mein Herr!« D'Artagnan hatte diesen Ruf kaum ausgesprochen, so ging die Türe auf, und Athos und Aramis, das Schwert in der Hand, stürzten hervor. Dank der List d'Artagnans war frei der Weg. »Die Gefangenen entfliehen! die Gefangenen entfliehen!« schrie der Sergeant. »Halt! halt!« rief d'Artagnan und ließ seinem Pferde die Zügel schießen, wonach es ein paar Mann niederrannte und fortsprengte. »Stop! stop!« liefen die Soldaten und eilten zu ihren Waffen. Allein, die Gefangenen saßen schon im Sattel, und so verloren sie keine Zeit mehr, sondern sprengten dem nächsten Tore zu. Mitten in der Straße erblickten sie Grimaud und
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