Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
auseinandergingen.
Als sie abends in Ryston ankamen, rief d'Artagnan seine Freunde zusammen. Sein Gesicht hatte den Charakter sorgloser Fröhlichkeit verloren, welche er den ganzen Tag über wie eine Maske getragen. Athos drückte Aramis die Hand und sprach zu ihm: »Der Augenblick naht.«
»Ja,« versetzte d`Artagnan, retten wir den König.« Porthos starrte d'Artagnan mit dem Gefühle tiefer Bewunderung an. Aramis lächelte wie einer, welcher hofft. Athos war blaß wie der Tod und zitterte an allen Gliedern. »Redet,« sprach Athos. Porthos machte große Augen; Aramis hing sich sozusagen an d'Artagnans Lippen. »Wir sind eingeladen, diese Nacht bei Groslow zuzubringen, das wißt Ihr.«
»Ja,« entgegnete Porthos, »er ließ uns versprechen, ihm seine Revanche zu geben.«
»Gut; allein wißt Ihr, wo wir ihm seine Revanche geben?«
»Nein.«
»Bei dem Könige.«
»Bei dem Könige!« rief Athos.
»Ja, meine Herren, bei dem Könige. Herr Groslow versieht diesen Abend bei dem Könige die Wache, und um sich dabei zu zerstreuen, ladet er uns ein, ihm Gesellschaft zu leisten.«
»Alle vier?« fragte Athos.
»Bei Gott, allerdings alle vier; verlassen wir etwa unsere Gefangenen?«
»Ah, ah!« rief Aramis.
»Sagt an,« sprach Athos beklommen.
»Nun, wir gehen zu Groslow, wir mit unsern Schwertern, Ihr mit Dolchen; wir vier bewältigen die acht Albernen und ihren einfältigen Kommandanten. Was sagt Ihr dazu, Herr Porthos?«
»Ich sage, das ist ganz leicht,« erwiderte Porthos. »Wir verkleiden den König als Groslow; Mousqueton, Grimaud und Blaifois halten uns an der Ecke der nächsten Straße die Pferde bereit, wir setzen uns auf, und vor Tagesanbruch sind wir zwanzig Meilen weit. Hm, Athos, ist das ungesponnen?« Athos legte seine beiden Hände auf die Schultern d'Artagnans, blickte ihn mit seinem ruhigen und freundlichen Lächeln an und sprach: »Freund, ich erkläre, es gibt unter der Sonne kein Geschöpf, welches Euch an Adel und an Mut gliche; während wir Euch für gleichgültig übel unsere Leiden hielten, die Ihr ohne Schuld nicht teilen konntet, findet Ihr allein unter uns das, was wir fruchtlos gesucht haben. – Ich wiederhole Dir somit, d'Artagnan, du bist der Beste von uns, und ich segne und liebe dich, mein Sohn.« Porthos schlug sich vor die Stirn und rief: »Zu sagen, daß ich das nicht gefunden habe! es ist so einfach!«
»Doch,« versetzte Aramis, »wenn ich recht verstanden habe, so töten wir alle – ist es nicht so?« Athos erbebte und erblaßte.
»Potz Element!« rief d'Artagnan, »das muß wohl geschehen. Ich grübelte lange darüber nach, ob es nicht ein Mittel gäbe, der Sache auszuweichen, allein ich gestehe, daß ich keine zu ersinnen vermochte.«
»Hört,« sprach Aramis, »es handelt sich hier nicht darum, mit der Lage der Dinge zu feilschen; wie gehen wir zu Werke?«
»Ich entwarf dafür einen zwiefachen Plan,« erwiderte d'Artagnan.
»Saget uns den ersten,« sprach Aramis.
»Wenn wir alle vier beisammen sind, so habt Ihr auf mein Signal, und dieses Signal wird das Wort endlich sein, dem Euch zunächst stehenden Soldaten einen Dolch ins Herz zu stoßen, und wir tun unsererseits desgleichen: so sind für den Anfang schon vier Mann todt; die Partie wird somit gleich, da wir zu vier gegen fünf stehen; ergeben sich nun diese fünf, so werden sie geknebelt; widersetzen sie sich, so werden sie niedergemacht. Sollte zufällig unser Wirt anderen Sinnes werden, und zu seiner Spielpartie nur Porthos und mich empfangen, nun, so werden wir unsere Zuflucht zu großen Mitteln nehmen und doppelt zuschlagen; das wird ein bißchen länger währen, und ein bißchen lärmender ausfallen, allein Ihr haltet Euch außen mit Euren Schwertern bereit und stürzt auf den Lärm herbei.«
»Doch wenn man Euch selber träfe?« bemerkte Athos.
»Unmöglich,« entgegnete d'Artagnan, »diese Biertrinker sind zu schwerfällig und ungeschickt; überdies werdet Ihr an der Kehle treffen. Porthos, das tötet schnell und hindert den, welchen man tötet, am Schreien.«
»Recht hübsch,« versetzte Porthos, »das wird eine schöne Halsabschneiderei sein.«
In diesem Momente ging die Türe auf und ein Soldat trat ein, der in schlechtem Französisch sagte: »Der Herr Kapitän Groslow läßt Herrn d'Artagnan und Herrn du Vallon melden, daß er sie erwarte.«
»Wo?« fragte d'Artagnan.
»In dem Zimmer des englischen Nabuchodonosor,« antwortete der Soldat, ein eingefleischter Puritaner.
»Gut,« erwiderte Athos
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