Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
die vier Freunde und blickten sich an.
D'Artagnan raffte alles Gold auf, welches er und Porthos verloren hatten, und steckte es in seine weite Tasche; hinter ihn stellten sich Athos und Aramis. Bei dieser Bewegung wandte sich Mordaunt, erkannte sie und erhob einen Schrei grimmiger Lust. »Ich fürchte, daß wir gefangen sind,« flüsterte d'Artagnan seinen Freunden zu. »Noch nicht,« erwiderte Porthos. »Oberst, Oberst!« rief Mordaunt, »lasset dieses Zimmer einschließen, Ihr seid verraten. Diese vier Franzosen sind aus Newcastle entwischt, und wollten Zweifelsohne den König entführen. Man nehme sie fest.« »O, junger Mann,« versetzte d´Artagnan, »dieser Befehl ist leichter zu geben, als zu vollziehen.« Dann zog er sein Schwert, schlug damit ein entsetzliches Rad und fuhr fort: »Zurück, Freunde, zieht Euch zurück!« Er sprang zugleich nach der Türe, warf dort zwei Soldaten nieder, die sie bewachten, ehe sie noch Zeit hatten, ihre Gewehre zu spannen, Athos und Aramis stürzten ihm nach; Porthos bildete die Nachhut, und alle waren bereits auf der Straße, ehe die Soldaten, die Offiziere und der Oberst nur Zeit hatten, sich zu besinnen. »Feuer auf sie!« schrie Mordaunt, »Feuer!« Wirklich knallten ein paar Schüsse, hatten jedoch keine andere Wirkung, als daß sie die Flüchtlinge erhellten, die schnell um die Straßenecke bogen. Die Pferde standen an der bestimmten Stelle; die Bedienten brauchten ihren Herren nur die Zügel zuzuwerfen, und diese schwangen sich als gewandte Reiter auf die Sättel.
»Vorwärts,« rief d'Artagnan, »setzt tüchtig die Sporen ein!« So sprengten sie hinter d'Artagnan dahin, und schlugen wieder die Straße ein, welche sie bereits am Tage zurückgelegt hatten, das heißt, sie wandten sich nach Schottland. Fünfzig Schritte weit von dem letzten Haufe hielt d'Artagnan an. »Halt!« rief d'Artagnan. »Wie – halt?« versetzte Porthos, »Ihr wollt wohl sagen: in Galopp?« »Ganz und gar nicht,« erwiderte d'Artagnan, »man wird uns diesmal nachsetzen; lassen wir nur den Flecken in den Rücken kommen und sie uns nacheilen auf dem Wege nach Schottland, und sahen wir sie im Galopp vorübersprengen, so begeben wir uns auf die entgegengesetzte Straße.« Einige Schritte weit entfernt floß ein Bach, über welchen eine Brücke geschlagen war; d'Artagnan lenkte sein Pferd unter den Bogen dieser Brücke, und seine Freunde ritten ihm nach. Sie waren daselbst noch kaum zehn Minuten lang, als sie die raschen Schritte einer heransprengenden Reiterschar vernahmen. Fünf Minuten darauf brauste diese Schar über ihren Köpfen dahin, und ahnte im entferntesten nicht, daß diejenigen, welche sie suchten, nur durch die Dicke der Brückenwölbung von ihnen getrennt seien.
London
Als das Gestampfe der Pferde in der Ferne verhallt war, ging d'Artagnan wieder zum Ufer des kleinen Baches und durchmaß die Ebene, um sich womöglich über London zu orientieren. Seine drei Freunde folgten ihm schweigend nach, bis sie mit Hilfe eines großen Halbkreises die Stadt weit hinter sich gelassen hatten. Als sich d'Artagnan fern genug von dem Aufbruchsorte glaubte, um aus dem Galopp in den Trab überzugehen, sprach er: »Für diesmal halte ich alles für verloren, und das beste, was wir tun können, ist, daß wir nach Frankreich übersetzen. Athos, was sagt denn Ihr zu dem Vorschlag? findet Ihr nicht, daß er vernünftig ist? »Ja, teurer Freund,« entgegnete Athos, »doch habt Ihr unlängst ein mehr als vernünftiges, Ihr habt ein edles, hochherziges Wort ausgesprochen, als Ihr gesagt habt, daß wir hier sterben werden. Ich will Euch an Euer Wort mahnen.« »O,« versetzte Porthos, »der Tod ist nichts, und er soll uns auch nicht beängstigen, weil wir nicht wissen, was das ist; allein, der Gedanke einer Niederlage ist es, der mich martert. Nach der Wendung, welche die Dinge nehmen, ersehe ich, daß wir London, den Provinzen und ganz England eine Schlacht liefern müßten, und wahrlich, es kann zuletzt nicht ausbleiben, daß wir geschlagen werden.« »Wir müssen dieser großen Tragödie bis zum Schlusse beiwohnen,« sprach Athos, »und wie es auch sein möge, so werden wir England erst nach der Entwicklung verlassen. Aramis, seid Ihr meiner Ansicht?« »Vollkommen, lieber Graf! dann bekenne ich auch, es wäre mir nicht unlieb, Mordaunt wiederzutreffen; ich denke, wir hätten eine Rechnung mit ihm abzuschließen, und sind es nicht gewohnt, Länder zu verlassen, ohne Schulden dieser Art zu tilgen.« »Ah,
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