Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Eine Million in Gold bleibt mir, die ich in den Kellern von Newcastle in dem Momente vergrub, wo ich diese Stadt verließ. Du allein weißt von dem Vorhandensein dieses Geldes; mach' davon Gebrauch, wenn du glaubst, daß es für die Wohlfahrt meines ältesten Sohnes Zeit sein wird; und jetzt, Graf de la Fère, nehmt von mir Abschied.«
»Gott befohlen, heilige, dem Märtyrertum geweihte Majestät,« stammelte Athos, von Entsetzen erstarrt.
Es trat nun ein kurzes Stillschweigen ein, während dessen es Athos schien, als richte sich der König empor und nehme eine andere Haltung an. Sonach rief der König mit starker, klangvoller Stimme, daß man ihn nicht bloß auf dem Schafott, sondern auch auf dem Platze vernahm: »Remember!« Er hatte dieses Wort kaum ausgesprochen, als ein furchtbarer Schlag den Fußboden des Schafotts erschütterte; Staub wirbelte vom Tuche empor und blendete den unglücklichen Edelmann. Dann erhob er auf einmal, gleichsam maschinenartig, die Augen und den Kopf und ein warmer Tropfen fiel ihm auf die Stirne. Athos wich mit schaudervollem Entsetzen zurück, und in diesem Momente verwandelte sich der Tropfen in eine dunkle Kaskade, die auf dem Boden zurückprallte. Athos war von selbst auf die Knie gesunken und blieb da einige Augenblicke wie von Wahnsinn und Ohnmacht übermannt. Bald nachher bemerkte er an dem abnehmenden Getöse, daß sich die Menge entferne; er blieb noch ein Weilchen bewegungslos, stumm und niedergeschlagen. Hierauf wandte er sich um und tauchte den Zipfel seines Sacktuches in das Blut des Märtyrerkönigs, und als sich die Volksmenge mehr und mehr verlor, stieg er hinab, teilte das Tuch, schlüpfte zwischen zwei Pferden hindurch, mengte sich unter das Volk, dessen Anzug er hatte, und kam zuerst im Gasthause an. Da ging er in sein Zimmer, betrachtete sich in einem Spiegel, sah seine Stirne mit einem breiten Blutmal bezeichnet, bewegte die Hand danach, zog sie, voll vom Blute des Königs, zurück und wurde ohnmächtig.
Der maskierte Mann
Wiewohl es erst vier Uhr abends war, so war es doch schon finster und der Schnee fiel dicht und eisig. Aramis kam gleichfalls nach Hause und traf Athos, wenn auch nicht ohnmächtig, doch wenigstens vernichtet. Der Graf erwachte bei den eisten Worten seines Freundes aus der Art Erstarrung, in die er versunken war.
»Nun denn,« sprach Aramis, »durch das Verhängnis überwunden.«
»Überwunden,« rief Athos. »Edler, unglücklicher König!«
»Seid Ihr denn verwundet?« fragte Aramis.
»Nein, dieses Blut ist das seinige.« Der Graf wischte sich die Stirne ab.
»Wo seid Ihr denn gewesen?«
»Wo Ihr mich verlassen habt, unter dem Schafott.« »Und habt Ihr alles gesehen?«
»Nein, doch alles gehört; Gott bewahre mich vor jeder Stunde, wie diese war. Sind nicht meine Haare weiß geworden?«
»So wißt Ihr auch, daß ich ihn nicht verlassen habe.«
»Ich hörte Eure Stimme bis zum letzten Augenblicke.«
»Hier ist der Stern, den er mir gegeben,« sagte Aramis, »und hier ist das Kreuz, welches ich aus seiner Hand empfangen; er wünschte, daß sie der Königin zugestellt werden möchten.«
»Und hier ist ein Tuch, um sie einzuwickeln,« versetzte Athos. Er nahm das Tuch aus der Tasche, welches er in das Blut des Königs getaucht hatte.
»Was hat nun mit dem armen Leichnam zu geschehen?« fragte Athos.
»Es werden ihm auf Cromwells Befehl die königlichen Ehren erwiesen werden. Wir legten die Leiche in einen bleiernen Sarg, die Ärzte beschäftigen sich damit, diese unglücklichen Überreste einzubalsamieren, und wenn das geschehen ist, wird man den König auf einem Schaugerüste aussetzen.«
»Hohn!« murmelte Athos düster.
»Königliche Ehrenbezeigungen demjenigen, welchen sie umgebracht haben!«
»Das ist ein Beweis,« versetzte Aramis, »daß der König, aber nicht das Königtum stirbt.«
»O,« entgegnete Athos, »das war leider vielleicht der letzte ritterliche König, den die Welt besessen hat.«
»Nun, Graf, verzweifelt nur nicht,« sprach eine kräftige Stimme auf der Treppe, auf welcher Porthos' schwere Tritte knarrten, »wir sind alle sterblich, meine Freunde!«
»Ihr kommt spät, lieber Porthos,« sagte der Graf de la Fere. »Was ist's aber mit d'Artagnan?« fragte Aramis; »habt Ihr ihn nicht gesehen, und ist ihm vielleicht etwas zugestoßen?«
»Wir wurden durch das Gedränge getrennt,« versetzte Porthos, »und wie viele Mühe ich mir auch gab, so konnte ich ihn doch nicht wiedersehen.« »O,« rief Athos voll
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