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Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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Musketieren die ersten Reihen des Volkes, welches gleich dem ungestümen Meere brauste und brüllte. »Was ist denn vorgegangen?« fragte sich Athos, noch mehr zitternd als das Tuch, dessen Falten er zerkrümmte. »Das Volk drängt heran, die Soldaten stehen unter den Waffen, und unter den Zuschauern, die alle ihre Augen auf das Fenster heften, bemerke ich d'Artagnan. Was erwartet er? Wohin blickt er? Großer Gott, haben sie etwa den Scharfrichter entwischen lassen?«
    Auf einmal wirbelten die Trommeln dumpf und traurig auf dem Platze; ein Geräusch von schweren, anhaltenden Tritten ertönte über seinem Scheitel. Es kam ihm vor, als zöge etwas gleich einer endlosen Prozession über die Fußböden von White-Hall; bald danach hörte er den Fußboden des Schafotts selber knarren. Er warf einen letzten Blick nach dem Platze hin, und die Haltung der Zuschauer sagte ihm das, was ihn eine letzte Hoffnung zu erraten abhielt, die noch in seines Herzens Grunde geblieben war. Das Gemurmel auf dem Platze war gänzlich verstummt. Die Augen aller waren nach dem Fenster von White-Hall gerichtet; die offenen Lippen und der zurückgehaltene Odem zeigten die Erwartung irgendeines schauderhaften Schauspiels an. Jenes Geräusch von Tritten, das Athos von der Stelle aus, die er vordem unter dem Zimmerboden des Königs eingenommen hatte, über seinem Scheitel gehört, erneuerte sich auf dem Schafott, das sich unter der Last dergestalt bog, daß die Bretter beinahe den Kopf des unglücklichen Edelmanns berührten. Es waren da augenfällig zwei Reihen von Soldaten, die ihren Platz einnahmen. In demselben Momente sprach eine edle Stimme, die dem Edelmann wohlbekannt war, über seinem Haupte die folgenden Worte: »Herr Oberst, ich wünsche zu dem Volke zu sprechen.« Athos schauderte vom Kopfe bis zu den Füßen, es war in der Tat der König, der zu dem Volke sprach. Nachdem Karl einige Tropfen Wein getrunken und Brot genossen hatte, und müde war, den Tod zu erwarten, hatte er sich auf einmal wirklich entschlossen, demselben entgegenzugehen, und das Zeichen zum Aufbruch gegeben. Man hatte nun die zwei Flügel des auf den Platz gehenden Fensters geöffnet, und aus dem Hintergrunde des großen Zimmers hatte das Volk fürs erste einen maskierten Mann herankommen sehen, welchen es an dem Beile, das er in der Hand trug, für den Scharfrichter erkannte. Dieser Mann trat zu dem Blocke hin und legte sein Beil auf denselben. Das war das erste Geräusch, welches Athos gehört hatte. Hinter diesem Manne kam sodann zweifelsohne blaß, aber ruhig und festen Schrittes Karl Stuart zwischen zwei Priestern, gefolgt von höheren Offizieren, welche die Hinrichtung zu leiten hatten, und von zwei Reihen Hellebardieren begleitet, die sich an beiden Seiten des Schafotts aufstellten.
    Der Anblick des maskierten Mannes verursachte ein Gemurmel, das lang anhielt. Jeder brannte, zu wissen, wer dieser unbekannte Scharfrichter sei, der sich so zu rechter Zeit gemeldet hatte, damit das dem Volke versprochene entsetzliche Schauspiel stattfinden könnte, während das Volk der Meinung war, dieses Schauspiel wäre für den nächsten Tag verschoben. Darum verschlang ihn auch jedermann mit den Augen; doch alles, was man sehen konnte, war, daß er ein Mann von mittlerer Größe und schwarz gekleidet wäre, der bereits ein gewisses Alter zu haben schien, denn es hing ein grauer Bart unter der Maske herab, die ihm das Antlitz bedeckte. Jedoch bei dem Anblick des so ruhigen, so edlen und würdigen Königs war die Stille sogleich wieder eingetreten, so daß jeder den Wunsch hören konnte, den er geäußert, zu dem Volke zu sprechen. Zweifelsohne hatte derjenige, an welchen er diesen Wunsch gerichtet, mit einem bejahenden Zeichen geantwortet, denn der König fing an mit so fester und klangvoller Stimme zu sprechen, daß es Athos bis auf den Grund des Herzens widerhallte. Er erklärte dem Volke seine Handlungsweise und gab ihm Ratschläge für die Wohlfahrt Englands. »O,« sprach Athos bei sich, »ist es denn möglich, daß ich höre, und daß ich sehe, was ich da sehe? Ist es möglich, daß Gott seinen Stellvertreter hienieden derart aufgegeben hat, daß er ihn auf so bejammernswerte Weise sterben lasse? – Und ich, der ich ihn nicht gesehen, der ich ihm kein Lebewohl gesagt habe ...!« Da ließ sich ein Geräusch vernehmen, welches dem ähnlich war, welches das auf dem Block bewegte Todeswerkzeug hatte machen können. Der König hielt inne, dann sprach er wieder: »Rühret das

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