Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
anbelangt.« »Ich bleibe also Minister?« fragte Mazarin. »Sie bleiben Minister; über das, gnädiger Herr, sind wir einig,« versetzte d'Artagnan, »da Frankreich Ihrer bedarf.« »Ich stehe von meinen Forderungen ab,« begann Aramis wieder, »und Se. Eminenz wird erster Minister und sogar Günstling Ihrer Majestät bleiben, wenn Sie uns das zugestehen wollen, was wir für Frankreich und für uns in Anspruch nehmen.« »Meine Herren,« sprach Mazarin, »befaßt Euch nur mit Euch und laßt Frankreich nach seinem Gutdünken sich mit mir vergleichen.« »O nein,« erwiderte Aramis, «die Frondeurs müssen einen Vertrag haben; Ew. Eminenz wird so gütig sein, denselben in unserem Beisein abzufassen und zu unterschreiben und sich verbindlich machen, die Genehmigung dieses Vertrages von der Königin zu erwirken.« »Ich kann bloß für mich stehen, aber nicht auch für die Königin,« entgegnete Mazarin. »Und wenn sich Ihre Majestät weigert?« »Gnädigster Herr,« sprach Aramis, »sehen Sie hier den von den Frondeurs beantragten Vertrag; wolle ihn Ew. Eminenz gefälligst lesen und prüfen.« »Ich kenne ihn.« »Also unterfertigen Sie ihn.« »Bedenken Sie, meine Herren, daß eine Unterschrift unter den obwaltenden Umständen so betrachtet werden könnte, als wäre sie mit Gewalt erzwungen worden.« »Ew. Eminenz wird da sein, um zu bezeugen, daß sie freiwillig gegeben wurde.« »Wenn ich mich aber zuletzt dennoch weigere?« »O, gnädiger Herr,« bemerkte d'Artagnan, »Ew. Eminenz würde sich dann die Folgen der Weigerung selbst zuzuschreiben haben.« »Wagtet Ihr etwa die Hand an mich zu legen?« »Gnädiger Herr, Sie legten sie doch an Musketiere Ihrer Majestät.« »Die Königin wird mich rächen, meine Herren.« »Das glaube ich nicht, wiewohl ihr hiezu vielleicht die Lust nicht fehlen möchte; wir wollen aber mit Ew. Eminenz nach Paris gehen, und die Pariser sind Leute, die uns in Schutz nehmen.« »Das ist garstig,« murmelte Mazarin. »Unterfertigen Sie also den Vertrag,« sagte Aramis. »Aber wenn ich ihn auch unterschreibe und die Königin sich weigert, ihn anzunehmen?« »So nehme ich es auf mich, zu der Königin zu gehen und ihre Zustimmung zu erwirken.« »Seid auf Eurer Hut,« entgegnete Mazarin, »in Saint-Germain nicht so empfangen zu werden, als Ihr berechtigt zu sein glaubt.« »Ei was,« erwiderte d'Artagnan, »ich will mich so betragen, daß ich willkommen bin; ich weiß ein Mittel.« »Welches?« »Ich will Ihrer Majestät den Brief überbringen, worin ihr Euer Gnaden die gänzliche Erschöpfung der Finanzen anzeigt.« »Und dann?« fragte Mazarin erblassend. »Wenn ich dann Ihre Majestät in der größten Verlegenheit sehe, will ich sie nach Rueil führen, will sie in die Orangerie geleiten und ihr eine gewisse Feder zeigen, wodurch sich ein Kasten in Bewegung setzt.« »Genug, mein Herr, genug,« stammelte der Kardinal; »wo ist der Vertrag?« »Da ist er,« sprach Uranus. »Sie sehen, wie wir großmütig sind,« sagte d'Artagnan, »indem wir mit einem solchen Geheimnis gar viel ausrichten könnten.« »Unterfertigen Sie also,« mahnte Aramis und hielt ihm die Feder hin.
Mazarin stand auf, ging ein Weilchen mehr tiefsinnig, als niedergeschlagen auf und ab, blieb dann plötzlich stehen und sagte: »Wenn ich werde unterschrieben haben, meine Herren, was wird dann meine Bürgschaft sein?« »Mein Ehrenwort, gnädiger Herr,« entgegnete Athos. Mazarin erbebte, wandte sich hierauf zu de la Fère, prüfte einen Augenblick dieses edle und biedere Gesicht, nahm dann die Feder und sprach: »Herr Graf, das genügt mir« – und er unterschrieb. »Nun, Herr d'Artagnan,« fuhr er fort, »macht Euch bereit, nach Saint-Germain zu gehen, und überbringt einen Brief von mir an die Königin.«
Wie man etwas mit einer Feder und einer Drohung viel schneller und besser ausrichtet, als mit dem Schwerte und der Ergebenheit.
D'Artagnan wußte aus der Mythologie, die er wohl kannte, daß die Gelegenheit nur ein einziges Haarbüschel habe, bei dem man sie ergreifen kann, und er war nicht der Mann, der sie vorüberschlüpfen ließ, ohne sie beim Schopfe zu fassen. Er entwarf sich ein schnelles und sicheres Reisesystem, indem er frische Pferde nach Chantilly vorausschickte, wonach er in fünf bis sechs Stunden in Saint-Germain eintreffen konnte. Ehe er aber aufbrach, bedachte er noch, es wäre für einen Mann von Verstand und Erfahrung doch seltsam, auf das Ungewisse loszugehen und das Gewisse hinter sich zu lassen.
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