Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
und jenes geplaudert hatte, verabschiedete sich d'Artagnan sehr herzlich, verließ das Haus und holte Planchet.
Aramis ließ es sich nicht nehmen, seine Gäste bis ans Ende des Dorfes zu begleiten, wo er dann nach einem zweiten freundlichen Abschied wieder umkehrte.
Nach zweihundert Schritten hielt d'Artagnan plötzlich an, sprang vom Pferde, warf Planchet die Zügel zu, und nahm aus den Halftern die Pistolen, die er in seinen Gürtel steckte. »Was tun Sie denn, gnädiger Herr?« fragte Planchet ganz erschreckt.
»Was ich tue?« sagte d'Artagnan. »Wie schlau er auch sei, so soll er doch nicht sagen können, daß er mich geprellt habe. Bleib hier und rühre dich nicht; nur halte dich auf der andern Seite der Straße und harre meiner.«
Nach diesen Worten sprang d'Artagnan auf die andere Seite des Grabens, der den Weg begrenzte, und eilte über das Feld, um das Dorf zu umgehen. Er hatte zwischen dem Hause, worin Frau von Longueville wohnte, und dem Kloster einen leeren Raum bemerkt, der nur von einer Hecke umschlossen war. D'Artagnan erreichte die Hecke und versteckte sich hinter derselben. Als er bei dem Hause vorüberkam, wo der erwähnte Auftritt stattgefunden hatte, bemerkte er, daß dasselbe Fenster erleuchtet war. Er hatte die feste Überzeugung, Aramis sei noch nicht nach Hause zurückgekehrt, und wenn er es tat, so würde er nicht allein zurückkehren. Und wirklich vernahm er ein Weilchen darauf Schritte, die sich näherten, und etwas wie den Schall halblauter Stimmen. Beim Anfang der Hecke hielten diese Schritte an. D'Artagnan ließ sich auf die Knie nieder und suchte das größte Dickicht der Hecke, um sich darin zu verstecken. In diesem Momente erschienen zu d'Artagnans großem Erstaunen zwei Männer; doch bald hörte seine Verwunderung auf, denn er vernahm eine sanfte, wohlklingende Stimme; der eine dieser zwei Männer war ein weibliches Wesen, als Kavalier verkleidet.
»Seid unbekümmert, lieber Renatus,« sprach die sanftere Stimme, »das wird sich nicht wieder ereignen; ich habe eine Art unterirdischen Ganges entdeckt, der unter der Straße durchführt, und wir brauchen nur eine der Platten aufzuheben, die vor der Türe liegen, so ist Euch ein Eingang und Ausgang eröffnet.«
»O!« versetzte eine andere Stimme, welche d'Artagnan für die von Aramis erkannte, »ich versichere, Prinzessin, daß ich, hinge nicht Ihr Ruf von all diesen Vorsichtsmaßregeln ab, und brauchte ich nur mein Leben dabei zu wagen ...«
»Ja, ja! ich weiß es, Ihr seid tapfer und kühn, wie irgend einer in der Welt; jedoch gehört Ihr nicht bloß mir, sondern unserer ganzen Partei an, seid also vorsichtig und besonnen.«
»Madame,« entgegnete Aramis, »ich gehorche immer, wenn man mir mit einer so liebevollen Stimme befiehlt.«
»Gut!« rief d'Artagnan, während er sich erhob und seine Knie abputzte, »jetzt durchblicke ich dich, du bist Frondeur und der Geliebte der Frau von Longueville!«
Herr Porthos du Vallon de Bracieux de Pierrefonds
D'Artagnan, der es bereits gewußt hatte, daß Porthos mit seinem Familiennamen du Vallon hieß, erfuhr durch die Erkundigungen, die er bei Aramis einholte, daß er sich nach dem Namen seines Landgutes de Bracieux nenne und daß er eben dieses Gutes wegen einen Prozeß mit dem Bischof von Noyon führe. Sonach mußte er dieses Landgut in der Umgebung von Noyon aufsuchen, nämlich an der Grenze von Isle-de-France und der Pikardie.
Um Mitternacht trafen die zwei Reisenden in Dammartin ein und setzten nach kurzer Rast und Stärkung den Ritt fort.
Als es zu tagen begann, hatten sie den größten Teil des Weges bereits hinter sich gebracht. Es war ein schöner Lenzmorgen, die Vögel sangen auf den hohen Bäumen, breite Sonnenstrahlen schimmerten durch die Lichtungen und erschienen wie Vorhänge von vergoldeter Gaze. An andern Stellen drangen die Strahlen kaum durch das dichte Laubwerk, und die Stämme der alten Eichen, auf die sich beim Anblick der Reisenden die behenden Eichhörnchen flüchteten, waren in Schatten versenkt; die ganze Luft schwamm von den Wohlgerüchen der Kräuter, Blumen und Blätter und erquickte das Herz. D'Artagnan, welcher der üblen Ausdünstungen von Paris überdrüssig war, sagte bei sich: »Führte man drei Namen von aneinander stoßenden Landgütern, so müßte man sich in einem solchen Paradiese recht glücklich fühlen.«
Dann schüttelte er den Kopf und sprach: »Wäre ich Porthos, und es machte mir d'Artagnan den Antrag, welchen ich Porthos machen will,
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