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Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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das Tor aufschließen, da ich dem Herrn Grafen zu melden wünsche, mein Herr, ein ihm befreundeter Edelmann sei hier und wünsche ihn zu begrüßen.«
    »Weshalb habt Ihr mir das nicht früher gesagt?« entgegnete der Diener und öffnete das Tor. »Doch wo ist Euer Herr?«
    »Hinter mir, er kommt nach.«
    Der Bediente schloß auch das Gitter auf; Planchet ging voraus und gab d'Artagnan einen Wink, der dann, mit höher klopfendem Herzen in den Hofraum ritt. Als Planchet auf der Freitreppe stand, vernahm er eine Stimme, die aus einem Zimmer des Erdgeschosses hallte und fragte: »Nun, wo ist dieser Edelmann und warum wird er nicht hierhergeführt?«
    Diese Stimme, welche bis zu d'Artagnan drang, erweckte in seinem Herzen tausend Gefühle, tausend Erinnerungen, die er schon vergessen hatte. Er sprang rasch vom Pferde, indes Planchet mit einem Lächeln auf den Lippen zu dem Herrn des Hauses hinging.
    »Nun, ich kenne ja diesen Mann,« rief Athos, indem er an der Schwelle erschien.
    »O ja, Herr Graf! Sie kennen mich und auch ich kenne Sie recht gut. Ich bin Planchet, Herr Graf, Planchet – Sie wissen wohl noch – –« allein der wackere Diener konnte nicht mehr sprechen, da ihn das unerwartete Aussehen des Edelmanns so sehr angegriffen hatte.
    »Wie doch, Planchet!« rief Athos; »also ist Herr d'Artagnan hier?«
    »Hier bin ich, Freund, hier bin ich, liebster Athos!« rief d'Artagnan mit stammelnder Stimme und beinahe wankend.
    Bei diesen Worten malte sich auch auf Athos' schönem Antlitz und in seinen ruhigen Zügen sichtbar eine Gemütsbewegung. Er machte schnell zwei Schritte gegen d'Artagnan, von dem er den Blick nicht mehr abwandte, und schloß ihn zärtlich an seine Brust. D'Artagnan erholte sich von seiner Verwirrung und umschlang ihn gleichfalls mit einer Innigkeit, die sich in seinen Augen in Tränen auflöste. Athos faßte ihn bei der Hand, preßte sie in die seinige und führte ihn in den Salon, wo schon mehrere Personen waren, die sogleich alle aufstanden.
    »Ich stelle Ihnen den Herrn Chevalier d'Artagnan, Leutnant bei den Musketieren, vor,« sprach Athos, »einen sehr treuen Freund und einen der liebenswürdigsten Kavaliere, die ich jemals kennen gelernt.«
    D'Artagnan nahm Platz im Kreise und fing an, Athos zu mustern, während die auf einen Augenblick unterbrochene Konversation wieder allgemein wurde. Es war seltsam. Athos war kaum älter geworden, seine schönen Augen, frei von dem dunklen Ringe, der sich durch Nachtwachen oder Schwelgereien erzeugt, schienen weit größer und von einem viel reineren Glanze als jemals; sein etwas länger gewordenes Antlitz hatte das an Würde gewonnen, was es an fieberhafter Aufregung verlor, seine immer noch schöne, und ungeachtet der Geschmeidigkeit kräftige Hand glänzte unter einer Spitzenmanschette wie gewisse Hände Tizians und Van Dyks; er war viel schlanker als vormals; seine sehr zurücktretenden breiten Schultern zeigten von ungewöhnlicher Stärke; seine langen und schwarzen Haare, die sich nur hier und da mit grauen untermengten, fielen wie in natürlichen Locken anmutig und wallend auf die Schultern nieder; seine Stimme klang immer noch so frisch, als zählte er erst zwanzig Jahre, und seine prachtvollen Zähne, die er weiß und unverletzt bewahrt, verliehen seinem Lächeln einen unaussprechlichen Reiz.
    Mittlerweile begannen die Gäste des Grafen, die es an der leisen Kälte des Gesprächs bemerkten, daß die zwei Freunde vor Sehnsucht glühten, allein zu sein, mit all der Kunst und Artigkeit von damals, sich zum Aufbruch anzuschicken, zu dieser wichtigen Angelegenheit für Leute von Welt, da es noch Leute von Welt gab; doch jetzt erschallte im Hofraum auf einmal ein lautes Hundegebell und mehrere Personen riefen zugleich: »Ah, das ist Rudolf, der nach Hause kehrt!« Athos wandte sich fast unwillkürlich um, als ein schöner Jüngling von fünfzehn Jahren, einfach, doch vollkommen geschmackvoll angezogen, in den Saal trat und auf anmutige Weise seinen Filzhut zog, der mit einer roten Feder geschmückt war.
    »Schon zurückgekehrt, Rudolf?« sprach der Graf.
    »Ja, gnädiger Herr,« erwiderte der junge Mann ehrerbietig, »und ich richtete den Auftrag aus, den Sie mir erteilten.«
    »Und was Hast du, Rudolf?« fragte Athos bekümmert, »du siehst bleich und aufgeregt aus.«
    »Die Ursache liegt darin, gnädiger Herr,« entgegnete der Jüngling, »weil unsere kleine Nachbarin ein Unglück getroffen hat.«
    »Fräulein de la Balliere?« rief Athos

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