Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
der jungen Herren an der Hand, und die Lakaien des Grafen von Guiche bewachten sorgsam zwischen sich den spanischen Gefangenen, der auf einem Gaule ritt, den man für ihn kaufte. Man hatte ihm zur größeren Vorsicht die Hände gefesselt.
Die kleine Truppe ritt im Trab auf dem Wege nach Cambrin dahin, wo man den Prinzen zu treffen hoffte, allein er war seit gestern nicht mehr dort, sondern zog sich zurück nach la Basssée, da ihm eine falsche Botschaft meldete, der Feind setze über die Lys bei Estaire.
Da nun der Prinz durch diese Botschaft getäuscht war, so zog er seine Truppen in der Tat von Bethune zurück, vereinigte alle seine Streitkräfte zwischen Vieille-Chapelle und Benthie, und da er eben von einer Rekognoszierung auf der ganzen Linie mit dem Marschall von Grammont zurückgekehrt war, so setzte er sich zu Tische und befragte die Offiziere, welche an seiner Seite saßen, über die Erkundigungen, die seinem Auftrage gemäß, jeder von ihnen einzuziehen hatte, doch wußte niemand ihm bestimmte Nachrichten zu geben. Die feindliche Armee hatte sich seit achtundvierzig Stunden aus dem Gesichtsfelde verloren und schien verschwunden zu sein. Der Marschall von Grammont erbat sich mit einem Blick die Erlaubnis des Prinzen und ging hinaus. Der Prinz folgte ihm mit den Augen, und seine Blicke blieben auf die Türe geheftet, da niemand zu sprechen wagte, aus Furcht, ihn in seinen Gedanken zu stören.
Auf einmal ertönte ein dumpfer Donner; der Prinz stand schnell auf und streckte die Hand in der Richtung aus, woher der Donner kam. Er kannte recht gut diesen Donner – es war der von Kanonen. Jeder stand auf wie er. In diesem Momente ging die Türe auf. »Gnädigster Herr,« sprach der Marschall von Grammont strahlend, »wollen Ew. Hoheit zu erlauben geruhen, daß mein Sohn, der Graf von Guiche, und sein Reisegefährte, der Vicomte von Bragelonne» Ihnen Nachrichten über den Feind bringen, den wir suchen, und den sie gefunden haben?« »Wie doch, erlauben?« entgegnete der Prinz lebhaft; »ich erlaube es nicht bloß, sondern wünsche es; laß sie eintreten.«
Der Marschall führte die zwei jungen Männer heran, sie standen vor dem Prinzen. »Redet, meine Herren,« sprach der Prinz, sie begrüßend, »erst redet, und dann wollen wir uns die üblichen Komplimente machen. Das Dringlichste für uns alle ist jetzt, zu erfahren, wo der Feind steht, und was er tut. Dem Grafen von Guiche stand natürlicherweise das Wort zu; er war nicht bloß der ältere der zwei jungen Männer, sondern er wurde auch noch von seinem Vater dem Prinzen vorgestellt. Überdies kannte er den Prinzen schon seit langem, während ihn Rudolf heute zum ersten Male sah. Somit berichtete er dem Prinzen das, was sie im Wirtshause zu Mazingarde gesehen hatten.
Mittlerweile betrachtete Rudolf diesen jungen General, der sich bereits durch die Schlachten von Rocroy, Freiberg und Nördlingen so berühmt gemacht hatte. Ludwig von Bourbon, Prinz von Condé, welchen man seit dem Tode Heinrichs von Bourbon, seines Vaters, der Kürze wegen und nach der damaligen Gewohnheit den »Prinzen« 113 nannte, war ein junger Mann von sechsundzwanzig bis siebenundzwanzig Jahren, mit einem Adlerblick, agl' occhi Grifagni, wie sich Dante ausdrückt, mit gebogener Nase, langen, geringelten Haaren, von mittlerer Größe und wohl gebaut; er besaß alle Eigenschaften eines großen Kriegers, nämlich scharfen Blick, raschen Entschluß und unglaublichen Mut, während er zugleich ein Mann voll Eleganz, Geist und Witz war.
Auf die ersten Worte des Grafen von Guiche und nach der Richtung, aus welcher der Kanonendonner dröhnte, hatte der Prinz alles verstanden. Der Feind mußte bei Saint-Venaut über die Lys gesetzt haben und gegen Lens vorgerückt sein, da er zuverlässig diese Stadt einnehmen und das Heer von Frankreich abschneiden wollte. Diese Kanonen, welche mit ihrem Donner von Zeit zu Zeit die andern überhallten, waren grobes Geschütz, und antworteten auf die spanischen und lothringischen Kanonen. Allein wie stark war dieses Heer? war es ein Korps, das nur eine Diversion bezwecken wollte? war es die ganze Armee? Das war des Prinzen letzte Frage, auf welche de Guiche unmöglich antworten konnte. Da sie jedoch die wichtigste war, so war sie auch diejenige, welche der Prinz auf das genaueste und pünktlichste beantwortet wissen wollte.
Nun überwand Rudolf das ganz natürliche Gefühl von Schüchternheit, das sich dem Prinzen gegenüber unwillkürlich seiner bemächtigt
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