Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
hatte, trat näher hinzu und sprach: »Würde mir Ew. Hoheit erlauben, über diesen Punkt einige Worte zu wagen, die vielleicht Ihre Verlegenheit beheben könnten?«
Der Prinz wandte sich um, und schien den jungen Mann mit einem einzigen Blick zu mustern, und lächelte, als er einen Jüngling vor sich sah, der kaum fünfzehn Jahre zählte. »Allerdings, mein Herr, redet,« sagte er, indem er seine barsche und starke Stimme milderte, als hätte er ein Frauenzimmer vor sich. »Ew. Hoheit könnte den spanischen Gefangenen anhören,« erwiderte Rudolf mit Erröten. Ihr machtet einen Spanier zum Gefangenen?« rief der Prinz.»Ja, gnädigster Herr.« »Ja, wirklich,« fiel de Guiche ein, »ich habe ihn vergessen.« »Das ist sehr natürlich, Graf,« sprach Rudolf lächelnd, »weil Ihr ihn zum Gefangenen gemacht habt.« Der alte Marschall wandte sich dankbar für dieses, seinem Sohne erteilte, Lob zu dem Vicomte, indes der Prinz sagte: »Der junge Mann hat recht; man führe den Gefangenen vor.«
Man brachte den Parteigänger. Es war einer von jenen unter Tücke und Plünderung ergrauten Condottieri, wie es damals noch einige gab, die ihr Blut an jeden verkauften, er es bezahlen wollte. Seit seiner Gefangennehmung sprach er nicht ein Wort, so daß die, welche ihn festgenommen, selbst nicht wußten, welcher Nation er angehöre. Der Prinz sah ihn voll Mißtrauen an und fragte: »Von welcher Nation bist du?« Der Gefangene antwortete einiges in einer fremden Sprache. »Ah, er scheint Spanier zu sein. Grammont, sprechen Sie spanisch?« »Meiner Treue, gnädigster Herr, sehr wenig.« »Und ich gar nichts,« sprach der Prinz lachend. »Meine Herren,« fuhr er fort, und wandte sich zu denen, die ihn umgaben, »ist jemand unter Euch, der spanisch versteht und mir als Dolmetsch dienen wollte?« »Ich, gnädigster Herr,« antwortete Rudolf. »Ah, Ihr sprecht spanisch?« »Wie ich glaube genugsam, um den Befehlen Ew. Hoheit bei dieser Gelegenheit nachzukommen.«
Der Gefangene verhielt sich während dieser ganzen Zeit gleichgültig, als hätte er ganz und gar nicht verstanden, um was es sich handelt. Da sprach zu ihm der junge Mann im reinsten Castilianisch: »Der gnädigste Herr ließ dich fragen, welcher Nation du angehörst?« »Ich bin ein Deutscher,« erwiderte der Gefangene. »Zum Teufel, was sagt er denn? fragte der Prinz, »was ist das für ein neues Kauderwelsch?« »Gnädigster Herr,« entgegnete Rudolf, »er sagt, daß er ein Deutscher sei; allein ich zweifle, denn sein Akzent ist schlecht und seine Aussprache fehlerhaft.« »Ihr sprecht somit auch deutsch?« fragte der Prinz. »Ja, gnädigster Herr,« entgegnete Rudolf. »Hinlänglich um ihn in dieser Sprache zu verhören?«»Ja, gnädigster Herr.« »Verhöret ihn also.«
Rudolf fing das Verhör an, allein der Erfolg bewährte seine Voraussicht. Der Gefangene verstand das nicht oder tat, als verstände er nicht, was Rudolf zu ihm sprach, während Rudolf wieder seine halb flamändischen, halb elsässischen Antworten falsch verstand. Indes hatte Rudolf mitten unter all diesen Bemühungen des Gefangenen, ein Verhör zu vereiteln, den natürlichen Akzent dieses Mannes ausgemittelt und sprach zu ihm auf italienisch: »Du bist kein Spanier, bist kein Deutscher, sondern ein Italiener.« Der Gefangene grinste und biß sich in die Lippen. »Ah,« rief der Prinz von Condé, »das verstehe, ich vollkommen, und da er Italiener ist, will ich das Verhör fortsetzen. Vicomte, ich danke Euch und ernenne Euch hiermit zu meinem Dolmetsch.«
Allein der Gefangene war ebensowenig geneigt, italienisch zu antworten als in den anderen Sprachen; er wollte den Fragen immer nur ausweichen. Sonach wußte er auch von nichts, weder von der Zahl der Feinde, noch von dem Namen dessen, der sie anführte, noch von dem Zuge der Armee und ihrer Absicht. »Nun gut,« sprach der Prinz, der die Ursachen dieser verstellten Unwissenheit einsah; »dieser Mann ist bei Mord und Plünderung betreten worden; er hätte sich dadurch, daß er Antwort gab, das Leben erkaufen können, da er aber nicht sprechen will, so führt ihn fort und schießt ihn tot.«
Der Gefangene wurde blaß, die zwei Soldaten, welche ihn hierher geführt hatten, faßten ihn jeder bei einem Arme und zogen ihn gegen die Türe hin, indes sich der Prinz zu dem Marschall von Grammont wandte, und den erteilten Befehl vergessen zu haben schien. Als der Gefangene bei der Türschwelle ankam, blieb er stehen: die Soldaten, welche nur ihren Befehl
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