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Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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Nachdem er sich endlich mit Gewalt beherrscht hatte, fragte er: »Wie hieß diese Frau?« »Ich kannte sie nicht; wie schon gesagt, hat sie sich zweimal verheiratet, und einmal, wie es scheint, in Frankreich, das anderemal in England.« »Sie war jung, sagt Ihr?« »Etwa fünfundzwanzig Jahre alt.« »Schön?« »Bezaubernd.« »Blond?« »Ja.« »Lange Haare, nicht wahr? – die bis auf ihre Schultern niederwallten?« »Ja.« Der Scharfrichter stützte sich auf seine Kissen und heftete einen entsetzten Blick auf Francis, der totenfahl wurde. »Und Ihr habt sie getötet?« fragte dieser. »Ihr habt jenen Elenden als Werkzeug gedient, die sie nicht selber zu töten wagten? Ihr hattet kein Erbarmen mit dieser Jugend, dieser Schönheit, dieser Schwäche? Ihr habt sie getötet – diese Frau?« »Ach,« seufzte der Scharfrichter, »wie ich Euch sagte, ehrwürdiger Vater, so verbarg diese Frau unter einer himmlischen Hülle einen höllischen Geist, und als ich sie sah, als ich mich all des Bösen erinnerte, das sie mir selber angetan hatte ...« »Euch? – was konnte sie Euch antun? redet.« »Sie hat meinen Bruder verführt und ins Verderben gestürzt; sie war mit ihm entflohen, da er ins Kloster gehen wollte.« »Mit deinem Bruder?« »Ja, mein Bruder war ihr erster Geliebter, und sie war die Ursache seines Todes. Ach, ehrwürdiger Vater, starret mich doch nicht so an; ich bin, ach! sehr straffällig, und habe keine Lossprechung zu hoffen.« »Nenne ihren Namen,« rief Francis. »Anna de Breuil,« stammelte der Verwundete. »Anna de Breuil!« rief Francis, indem er sich wieder emporrichtete und die beiden Hände zum Himmel erhob; »Anna de Breuil! nicht wahr, du hast gesagt Anna de Breuil?« »Ja, ja, das war ihr Name – o, sprecht mich los, denn' ich sterbe.« »Ich soll dich lossprechen?« rief Francis mit, verzerrtem Gesichte aus, bei dessen Anblick sich die Haare auf dem Haupte des Sterbenden sträubten, »ich soll dich lossprechen? Ha, ich bin kein Priester.« »Ihr seid kein Priester?« rief der Scharfrichter; »wer seid Ihr denn?« »Das will ich dir sagen. Elender!« »O Herr, mein Gott!« »Ich bin John Francis de Winter!« »Ich kenne Euch nicht,« rief der Scharfrichter. »Halt, halt! Du sollst mich kennen lernen; ich bin John Francis de Winter.« wiederholte er, »und jene Frau ...« »Nun, jene Frau?« »Sie war meine Mutter.«
    Der Scharfrichter stieß den ersten Schrei aus, jenen furchtbaren Schrei, den man zuerst vernommen hatte, und stammelte: »O, verzeiht mir, ja, verzeiht mir, wenn nicht im Namen Gottes, doch mindestens in Eurem Namen; wenn nicht als Priester, doch mindestens als Sohn.« »Dir verzeihen?« rief der falsche Mönch, »dir verzeihen? das mag Gott vielleicht tun, allein ich – niemals.« »Aus Barmherzigkeit!« stammelte der Scharfrichter, und streckte beide Arme nach ihm aus. »Keine Barmherzigkeit für den, der kein Erbarmen gehabt hat; stirb unbußfertig, stirb in Verzweiflung, fahre zur Verdammnis.« Da zog er einen Dolch unter dem Gewande hervor und bohrte ihm denselben in die Brust. »Da hast du,« sprach er, »meine Lossprechung.«

Grimaud spricht
    Grimaud war allein bei dem Scharfrichter zurückgeblieben; der Wirt war fortgeeilt, um Hilfe zu holen, und die Wirtin betete. Nach einem Weilchen öffnete der Verwundete seine Augen wieder. »Hilfe!« stammelte er, «Hilfe! ach, mein Gott! finde ich denn keinen Freund mehr hienieden, der mir im Leben oder im Tode beisteht?« Er legte mit Anstrengung die Hand auf seine Brust – wo er dem Griffe des Dolches begegnete. »O,« stöhnte er wie ein Mensch, der sich erinnert, dann ließ er seinen Arm zur Seite herabgleiten. »Mut gefaßt, « rief ihm Grimaud zu, »man holt Hilfe herbei.« »Wer seid Ihr?« fragte der Verwundete und starrte Grimaud mit weit geöffneten Augen an. »Ein alter Bekannter,« entgegnete Grimaud. »Ihr?« Der Verwundete suchte sich an die Züge desjenigen zu erinnern, der so mit ihm sprach, und fragte: »Bei welcher Gelegenheit trafen wir uns denn?« »Vor zwanzig Jahren in einer Nacht. Mein Herr holte Euch in Bethune ab und führte Euch nach Armentieres.« »Nun erkenne ich Euch,« versetzte der Scharfrichter, »Ihr wäret einer von den vier Dienern.« »Ganz richtig.« »Woher kommt Ihr?« »Ich reiste die Straße vorbei und lehrte in diesem Wirtshause ein, um mein Pferd sich erfrischen zu lassen. Man sagte mir, der Scharfrichter von Bethune liege hier verwundet, als Ihr zwei Schreie ausstießet. Bei dem

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