Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
morgen in Paris kein Stein mehr auf dem andern wäre.«
»Ich fragte nicht Euch,« sprach die Königin in strengem Tone und ohne sich umzuwenden, »ich fragte Herrn von Gondy.«
»Wenn Ihre Majestät mich befragte,« erwiderte der Koadjutor mit derselben Ruhe, »so muß ich erklären, daß ich durchaus die Meinung des Herrn Marschalls teile.« Die Röte stieg der Königin ins Gesicht; ihre schönen, blauen Augen schienen aus ihrem Kopfe hervortreten zu wollen: ihre Karminlippen, welche alle damaligen Dichter mit blühenden Granaten verglichen, wurden blaß und bebten vor Ärger, so daß selbst Magarin darüber erschrak, der doch an so manche Zornesausbrüche einer unglücklichen Ehe gewöhnt war.
»Broussel freilassen!« rief sie endlich mit einem entsetzlichen Lächeln. »Meiner Treue, ein hübscher Rat! Man sieht, daß er von einem Priester kommt.« Gondy blieb standhaft. Die heutigen Beleidigungen schienen an ihm abzugleiten, wie die gestrigen Spöttereien; allein der Haß und das Rachegefühl wuchsen schweigend und tropfenweise an auf dem Grunde seines Herzens. Er starrte die Königin kalt an, welche Mazarin aufforderte, daß er nun gleichfalls etwas sage. Wie gewöhnlich sprach Mazarin wenig und dachte viel. »Ah, ah!« sagte Mazarin, »ein guter Rat; ich würde den guten Herr Broussel freigeben, tot oder lebendig, und die ganze Sache wäre abgetan.«
»Würde man ihn tot herausgeben, so wäre wohl alles abgetan, wie Sie sagen, Monseigneur, jedoch auf andere Weise, als Sie meinen.«
»Sagte ich: tot oder lebendig?« versetzte Mazarin. »Eine Redensart; Ihr wißt wohl, daß ich schlecht französisch verstehe, welches Ihr, Herr Koadjutor, so gut sprecht und schreibt.«
Der Koadjutor lieh den Sturm vorüberziehen und begann mit demselben Phlegma: »Madame, wenn der Vorschlag, den ich Ihrer Majestät unterbreite, nicht entspricht, so hat daß sicher seinen Grund darin, daß Sie deren bessere haben. Ich kenne zu sehr die Weisheit der Königin und ihrer Räte, um zu glauben, man werde die Hauptstadt lange in der Zerrüttung lassen, weiche einen Aufruhr erzeugen kann.«
»Nach Eurer Ansicht also,« entgegnete hohnlachend die Spanierin, die sich vor Ingrimm in die Lippen biß, »kann dieser Tumult von gestern, der heute schon eine Empörung ist, morgen zur Revolution werden?«
»Ja, Madame,« erwiderte der Koadjutor ernst. »Doch, wenn man Euch anhört, wäre das Volk schon zügellos.«
»Dieses Jahr ist schlimm für die Könige,« versetzte Gondy kopfschüttelnd. »Blicken Ihre Majestät auf England hin.« »Ja,« antwortete die Königin, »aber zum Glücke haben wir in Frankreich keinen Oliver Cromwell.«
»Wer weiß,« erwiderte Gondy, »solche Männer gleichen dem Blitze; man kennt sie nicht, ehe sie treffen.«
Alle schauderten und es trat ein kurzes Stillschweigen ein. Mittlerweile hatte die Königin ihre beiden Hände auf die Brust gedrückt; man sah, daß sie das heftige Pochen ihres Herzens zurückpreßte. »Ihre Majestät wird sonach die geeigneten Maßregeln ergreifen,« fuhr der Koadjutor unbarmherzig fort; »allein ich sehe voraus, daß sie schreckvoll und der Art sein werden, daß sie die Anstifter noch mehr aufreizen. »Nun,« erwiderte die Königin spöttisch, »so werdet Ihr, Herr Koadjutor, der Ihr so viel Macht über sie habt und unser Freund seid, sie besänftigen.«
»Das dürfte vielleicht schon zu spät sein,« antwortete Gondy stets frostig, »und vielleicht habe ich selbst schon allen Einfluß verloren, indes Ihre Majestät, wenn Sie Broussel freiläßt, dem Aufruhr jede Wurzel abschneidet und das Recht erlangt, jeden neuen Versuch zum Aufstand grausam zu bestrafen.«
»Besitze ich denn nicht dieses Recht?« fragte die Königin. »Wenn Sie es besitzen, so üben Sie es aus,« entgegnete Gondy.
Die Königin entließ mit einem Wink den Hof mit Ausnahme Mazarins. Gondy verneigte sich und wollte gleich den übrigen fortgehen. »Bleibt, mein Herr,« sprach die Königin. »Wohl,« sagte Gondy bei sich, »sie wird nachgeben.«
»Sie wird ihn töten lassen,« sprach d'Artagnan zu Porthos, »doch geschieht das jedenfalls nicht durch mich. Ich schwöre es bei Gott, daß ich mich, wenn man über ihn herfällt, auf die Angreifenden stürzen werde.«
»Ich gleichfalls,« versetzte Porthos.
»Schön,« murmelte Mazarin, indem er einen Stuhl nahm, »wir werden etwas Neues sehen.«
»Sagt an,« sprach die Königin, indem sie endlich stehen blieb, »da wir nun allein sind, Herr Koadjutor, sagt
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