Zwei an Einem Tag
versammelten sich im Festzelt und drängten sich eifrig um den Sitzplan, als handle es sich um Prüfungsergebnisse. Dexter und Emma begegneten sich in der Menge.
»Tisch fünf«, sagte Dexter.
»Tisch 24«, sagte Emma. »Tisch fünf ist ziemlich nah bei der Braut. 24 ist in der Nähe der Dixieklos.«
»Nimms nicht persönlich.«
»Was ist der Hauptgang?«
»Laut Gerüchteküche Lachs.«
»Lachs. Lachs, Lachs, Lachs, Lachs. Ich esse auf diesen Hochzeiten so viel Lachs, dass ich einmal im Jahr stromaufwärts schwimmen will.«
»Komm an Tisch fünf. Wir tauschen die Namensschildchen aus.«
»Am Sitzplan herumpfuschen? Es sind schon Leute wegen kleinerer Vergehen umgelegt worden. Ganz hinten gibt es eine Guillotine.«
Dexter lachte. »Wir sprechen uns nachher, ja?«
»Komm zu mir rüber.«
»Oder du kommst zu mir rüber.«
»Oder du zu mir.«
»Oder du zu mir.«
Als Strafe für irgendeine Kränkung war Emma zwischen ein betagtes, neuseeländisches Pärchen, Onkel und Tante des Bräutigams, gesetzt worden, und die Phrasen »wunderschöne Landschaft« und »hohe Lebensqualität« wurden gut drei Stunden lang herumgereicht. Gelegentlich wurde Emma von den Lachsalven an Tisch fünf abgelenkt, dem Glamour-Tisch, an dem Dexter und Sylvie, Callum und seine Freundin Luiza saßen. Emma schenkte sich Wein nach und erkundigte sich noch einmal nach Landschaft und Lebensqualität. Wale: Hatten sie schon echte Wale gesehen?, fragte sie und schielte neidisch zu Tisch fünf hinüber.
An Tisch fünf schielte Dexter neidisch zu Tisch 24 hinüber. Sylvie hatte ein neues Spiel erfunden: Immer, wenn Dexter die Flasche nahm, legte Sylvie schnell die Hand auf sein Glas, so dass das Essen zu einer langen, harten Prüfung seiner Reflexe verkam. »Du hältst dich doch zurück, nicht wahr?«, flüsterte sie, als er einen Sieg errungen hatte, und er versprach es ihr, aber das Ergebnis war leichte Langeweile und Neid auf Callums nervtötende Selbstsicherheit. An Tisch 24 sah er Emma höflich und ernst mit einem braungebrannten älteren Ehepaar plaudern, bemerkte, wie aufmerksam sie zuhörte, dem alten Mann die Hand auf den Arm legte, über einen seiner Witze lachte, die beiden mit einer Einweg-Kamera fotografierte und sich hinüberbeugte, um selbst fotografiert zu werden. Dexter fiel auf, dass sie ein Kleid wie dieses vor zehn Jahren nie angezogen hätte, der Reißverschluss hinten ungefähr fünf Zentimeter offen stand, der hochgerutschte Saum viel Bein sehen ließ, und hatte eine flüchtige, aber lebhafte Erinnerung an Emma in einem Zimmer in der Rankeillor Street in Edinburgh. Morgenlicht drang durch die Vorhänge, ein niedriges Einzelbett, der hochgerutschte Rock, die nach hinten gelegten Arme. Was hatte sich seitdem verändert? Nicht sehr viel. Um ihren Mund bildeten sich immer noch dieselben Fältchen, wenn sie lachte, nur waren sie jetzt etwas ausgeprägter. Die Augen waren immer noch strahlend und klug, und den breiten Mund hatte sie beim Lachen immer noch fest geschlossen, als hätte sie ein Geheimnis. In vielerlei Hinsicht war sie weit attraktiver als mit 22. Zum Beispiel schnitt sie sich nicht mehr selbst die Haare, hatte die Bibliotheksblässe, die schmollende Gereiztheit und Verdrießlichkeit verloren. Wie wäre es wohl, fragte er sich, wenn er dieses Gesicht heute zum ersten Mal sähe? Wenn er Tisch 24 zugeteilt worden wäre, sich hingesetzt und ihr vorgestellt hätte? Von allen Leuten hier hätte er nur mit ihr reden wollen, dachte er. Er nahm sein Glas und schob den Stuhl zurück.
Aber jemand schlug mit der Gabel an ein Glas. Die Ansprachen. Wie es die Tradition verlangte, war der Vater der Braut betrunken und rüpelhaft, und der Trauzeuge war betrunken, nicht witzig und vergaß, die Braut zu erwähnen. Mit jedem Glas Rotwein spürte Emma, wie sie immer müder wurde, und dachte an ihr Hotelzimmer im Haupthaus, das weiße Nachthemd und die Nachbildung eines alten Himmelbetts. Dort gäbe es eine der begehbaren Duschen, auf die die Leute so scharf sind, und viel zu viele Handtücher für eine Person. Wie um Emma die Entscheidung abzunehmen, begann die Band, die Instrumente zu stimmen, der Bassist spielte das Riff aus Another One Bites the Dust , und sie beschloss, es sei Zeit, die Segel zu streichen, ihr Stück Hochzeitstorte in dem speziellen Kordelzugbeutel aus Samt mitzunehmen, sich auf ihr Zimmer zu begeben und den Rest der Hochzeit zu verschlafen.
»Darf ich kurz stören, kennen wir uns nicht irgendwoher?«
Eine
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