Zwei an Einem Tag
bleiben, Dex!« Dexters ehemaliger Zimmergenosse hatte sich in den letzten Jahren fast bis zur Unkenntlichkeit verändert. Erfolgreich, beleibt und dynamisch, hatte er das Computer-Refurbishment hinter sich gelassen und das Geschäft mit enormem Profit verkauft, um die »Natural Stuff«-Sandwichkette zu eröffnen. Mit dem sorgsam gestutzten Ziegenbärtchen und dem kurzgeschorenen Haar war er der Inbegriff des gepflegten, selbstsicheren Unternehmers. Callum zupfte an den Ärmeln seines exquisiten, maßgeschneiderten Anzugs, und Dexter fragte sich, ob dies wirklich derselbe magere Ire war, der drei Jahre lang dieselbe Hose getragen hatte.
»Alles organisch, alles frisch hergestellt, wir machen Säfte und Smoothies auf Bestellung und verkaufen fair gehandelten Kaffee. Wir haben vier Filialen, und sie sind rund um die Uhr rappelvoll, im Ernst, ständig. Wir müssen um drei Uhr dichtmachen, weil kein Essen mehr da ist. Ich sage dir, Dex, die Esskultur in diesem Land verändert sich, die Leute wollen was Besseres. Die geben sich nicht mehr mit ’ner Büchse Orangenlimo und ’ner Packung Chips zufrieden. Sie wollen Hummus-Wraps, Papayasaft, Flusskrebse …«
»Flusskrebse?«
»Mit Rucola im Fladenbrot. Im Ernst, Flusskrebs ist das Eiersandwich und Rucola der Eisbergsalat unserer Zeit. Flusskrebse sind billig in der Produktion, vermehren sich wie die Karnickel, sind köstlich, der Hummer des armen Mannes! He, du solltest mal vorbeikommen, dann erzähle ich dir mehr darüber.«
»Über Flusskrebse?«
»Übers Geschäft. Ich glaube, da bieten sich dir eine Menge Chancen.«
Dexter bohrte den Absatz in den Rasen. »Callum, bietest du mir etwa einen Job an?«
»Nein, ich sage nur, komm vorbei und …«
»Ich glaubs nicht, ein Freund bietet mir einen Job an.«
»… wir gehen zusammen mittagessen! Nicht diesen Flusskrebs-Mist, ein anständiges Restaurant. Ich lade dich ein.« Er legte Dexter den massigen Arm um die Schultern und fügte leiser hinzu: »Ich habe dich schon lange nicht mehr im Fernsehen gesehen.«
»Weil du kein Kabel-oder Satellitenfernsehen guckst. Ich arbeite viel für Kabel-und Satellitensender.«
»Was zum Beispiel?«
»Na ja, ich mache eine neue Sendung namens Sport Xtrem. Xtrem mit X. Filme übers Surfen, Interviews mit Snowboardern. Du weißt schon. Von überall her.«
»Dann reist du also viel?«
»Ich sage nur die Filme an. Das Studio ist in Morden. Also ja, ich reise viel, aber nur nach Morden.«
»Tja, wie gesagt, wenn dir je nach ’nem Jobwechsel ist. Du kennst dich ein bisschen mit Essen und Trinken aus, du kommst gut mit Menschen klar, wenn du willst. Das Geschäftsleben besteht aus Menschen. Ich glaube einfach, es könnte dir liegen. Das ist alles.«
Dexter atmete durch die Nase aus, sah zu seinem alten Freund auf und bemühte sich, ihn zu verabscheuen. »Cal, du hast drei Jahre lang dieselbe Hose getragen.«
»Lang, lang ists her.«
»Ein ganzes Semester lang hast du dich von Dosenfleisch ernährt.«
»Was soll ich sagen – Menschen ändern sich! Und, was hältst du davon?«
»Na gut. Du darfst mich zum Essen einladen. Aber ich warne dich, ich habe keinen Schimmer vom Geschäftsleben.«
»Schon okay. Außerdem wäre es nett, mal wieder mit dir zu quatschen.« Halb tadelnd tätschelte er Dexter den Ellbogen. »Du hast dich ganz schön lang nicht gemeldet.«
»Echt? Ich war beschäftigt.«
»So beschäftigt auch wieder nicht.«
»He, du hättest mich auch anrufen können.«
»Habe ich, andauernd. Du hast nie zurückgerufen.«
»Nicht? Entschuldige. Ich hatte anderes im Kopf.«
»Ich hab das mit deiner Mum gehört.« Callum sah in sein Glas. »Mein Beileid. Reizende Dame, deine Mum.«
»Schon gut. Ist lange her.«
Ein ungezwungenes, herzliches Schweigen entstand, als sie den Blick über den Rasen schweifen ließen, wo alte Freunde in der Nachmittagssonne schwatzten und lachten. Ganz in der Nähe stand Callums neueste Freundin, eine winzige, atemberaubende Spanierin, die in Hip-Hop-Videos tanzte, und unterhielt sich mit Sylvie, die sich zu ihr hinunterbeugte.
»Schön, mal wieder mit Luiza reden zu können«, sagte Dexter.
»Gewöhn dich nicht zu sehr an sie.« Callum zuckte die Schultern. »Ich glaube, Luiza ist bald weg von der Bildfläche.«
»Ein paar Dinge ändern sich eben nie.« Eine hübsche, verlegene Kellnerin mit Servierhäubchen kam, um ihnen die Gläser nachzufüllen. Beide grinsten sie an, ertappten sich gegenseitig und prosteten sich zu.
»Vor elf
Weitere Kostenlose Bücher