Zwei an Einem Tag
aufschauen.
»Unter anderem. Muss ich jetzt die Empfangsbestätigung unterschreiben oder was?«
»Und Sie waren doch mal mit Suki Meadows zusammen.«
Lächeln, lächeln, lächeln.
»Wie gesagt, lang, lang ists her. Eine Kiste, zwei, drei …«
»Man sieht sie jetzt überall, nicht?«
»Sechs, sieben, acht …«
»Sie sieht echt toll aus.«
»Sie ist sehr nett. Neun, zehn.«
»Wie wars denn so, mit ihr auszugehen.«
»Laut.«
»Und – was ist mit Ihnen passiert?«
»Das Leben. Das Leben ist passiert.« Er nimmt das Clipboard. »Hier unterschreiben?«
»Genau. Da unterschreiben.«
Dexter schreibt sein Autogramm auf die Rechnung, greift in die oberste Kiste, nimmt eine Handvoll Rucola heraus und prüft, ob er frisch ist. »Rucola – der Eisbergsalat de nos jours«, pflegt Callum zu sagen, aber Dexter findet ihn bitter.
Der Hauptsitz von Natural Stuff ist in einem Lagerhaus in Clerkenwell untergebracht, frisch, sauber, modern, ausgestattet mit Entsaftern, Sitzsäcken, Unisex-Toiletten, Hochgeschwindigkeits-Internetanschlüssen, Flipperautomaten und riesigen Bildern von Kühen, Hühnern und Flusskrebsen à la Andy Warhol an den Wänden. Halb Arbeitsplatz, halb Teenagerzimmer. Die Architekten bezeichneten die Büros als »kreativraum«, in kleingeschriebener Helvetica-Schrift. Aber bevor Dexter in den kreativraum darf, muss er sich erst noch die Sporen verdienen. Cal legt großen Wert darauf, dass seine Führungskräfte sich die Hände schmutzig machen, deshalb arbeitet Dexter seit einem Monat als Trainee, als Shadow Manager am letzten Außenposten der Zivilisation. In den letzten drei Wochen hat er die Entsafter gereinigt, ein Haarnetz getragen, um Sandwiches zuzubereiten, Kaffee gemahlen und Kunden bedient, und zu seiner Überraschung war es ganz in Ordnung. Darum geht es schließlich: Die Leute sind das Geschäft, wie Callum zu sagen pflegt.
Das Unangenehmste ist, wiedererkannt zu werden, der flüchtige, mitleidige Blick im Gesicht der Kunden, wenn sie einen ehemaligen TV-Moderator Suppe servieren sehen. Die Gleichaltrigen sind die schlimmsten. Einmal Ruhm gehabt und verloren zu haben, und sei er auch noch so klein gewesen, älter geworden zu sein und vielleicht ein paar Pfund zugelegt zu haben, ist eine Art lebendiger Tod, und sie starren Dexter hinter der Kasse an wie einen Gefangenen in einer Strafkolonne. »Im richtigen Leben sehen Sie kleiner aus«, sagen sie manchmal, und es stimmt, er fühlt sich tatsächlich kleiner. »Aber es ist in Ordnung«, will er sagen, wenn er die Curry-Linsensuppe austeilt, »mir gehts gut. Ich bin mit mir im Reinen. Ich mag die Arbeit hier, es ist nur vorübergehend. Ich lerne ein neues Geschäft, ich sorge für meine Familie. Möchten Sie Brot dazu? Vollkorn oder Mehrkorn?«
Die Morgenschicht bei Natural Stuff dauert von 6:30 Uhr bis 16:30 Uhr, und nachdem er die Kasse gemacht hat, fährt er zusammen mit den Samstagseinkäufern im Zug nach Richmond. Dann folgt ein langweiliger, zwanzigminütiger Fußmarsch zu den viktorianischen Reihenhäusern, die von innen viel, viel größer sind, als sie von außen aussehen, bis er daheim ist, am Haus der Blähungen. Als er den Gartenweg entlanggeht – er hat einen Gartenweg, wie ist das passiert? –, sieht er, wie Jerzy und Lech die Haustür zumachen, und unterhält sich mit ihnen in dem kumpelhaften Ton mit dem leichten Cockney-Akzent, der im Gespräch mit Handwerkern obligatorisch ist, selbst wenn es sich um Polen handelt.
» Cześć! Jak sie masz ?«, versucht sich Dexter auf Polnisch.
»Guten Abend, Dexter«, sagt Lech nachsichtig.
»Mrs Mayhew, sie ist zu Hause?« Man muss die Wörter umstellen; das ist ein Gesetz.
»Ja, sie ist zu Hause.«
Leiser sagt er: »Heute, wie geht es ihnen?«
»Ein bisschen … müde, glaube ich.«
Dexter runzelt die Stirn und schnappt aus Spaß nach Luft. »Und – sollte ich mir Sorgen machen?«
»Ein bisschen vielleicht.«
»Hier.« Dexter greift in die Innentaschen und gibt ihnen zwei geklaute Honig-Dattel-Haferflocken-Riegel von Natural Stuff. »Hehlerware. Nicht weitersagen, ja?«
»Okay, Dexter.«
» Do widzenia .« Er geht zur Haustür, nimmt den Schlüssel und weiß, dass sehr wahrscheinlich irgendwo im Haus jemand weint. Manchmal scheint es, als würden sie sich abwechseln.
Jasmine Alison Viola Mayhew sitzt schwankend auf einer Plastikabdeckplane im Flur, die die vor kurzem abgeschliffenen Dielen schützen, und wartet. Mit dem hübschen, feinen, symmetrischen Gesichtchen
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