Zwei an Einem Tag
er die Hand auf ihre, und sie machte mit und legte ihre darüber und so weiter, schneller und schneller, ein Kinderspiel. Aber es war auch gekünstelt, wirkte angestrengt und befangen, und vor Verlegenheit tat sie, als müsse sie aufs Klo.
In dem kleinen, muffigen Raum starrte sie düster in den Spiegel und zupfte an ihrem Pony herum, als wollte sie ihn lang ziehen. Seufzend befahl sie sich, ruhig zu bleiben. Das, was passiert war, die Sache, war ein Ausrutscher gewesen, keine große Angelegenheit, er war nur ein guter, alter Freund. Aus Glaubwürdigkeitsgründen drückte sie die Klospülung und trat wieder in den warmen, grauen Nachmittag hinaus. Vor Dexter auf dem Tisch lag ihr Roman. Vorsichtig setzte sie sich wieder hin und stupste das Buch mit dem Finger an.
»Wo kommt das denn her?«
»Habs am Bahnhof gekauft. Da gabs riesige Stapel. Es ist überall, Em.«
»Hast du es schon gelesen?«
»Ich komme nicht über Seite drei hinaus.«
»Sehr witzig, Dex.«
»Emma, ich fand es ganz wunderbar.«
»Na ja, es ist nur ein dummes Kinderbuch.«
»Nein, wirklich, ich bin so stolz auf dich. Ich meine, ich bin zwar kein halbwüchsiges Mädchen, aber es hat mich echt zum Lachen gebracht. Ich habs in einem Zug durchgelesen. Und das von jemandem, der sich schon seit fünfzehn Jahren mit Howard’s Way herumplagt.«
»Du meinst Howards End . Howard’s Way ist was anderes.«
»Wie auch immer. Ich habe noch nie was in einem Zug durchgelesen.«
»Na ja, die Schrift ist ziemlich groß.«
»Das hat mir an dem Buch auch am besten gefallen, die große Schrift. Und die Bilder. Die Illustrationen sind echt witzig, Em. Ich hatte ja keine Ahnung.«
»Danke dir …«
»Außerdem ist es spannend und lustig, und ich bin so was von stolz auf dich, Em. Ehrlich gesagt …« Er zog einen Kugelschreiber aus der Tasche, »möchte ich, dass du es signierst.«
»Sei nicht albern.«
»Nein, du musst. Du bist …« Er zitierte die Rückseite des Buches: »… die ›aufregendste Entdeckung seit Roald Dahl‹.«
»Sagt die neunjährige Nichte der Verlegerin.« Er stupste sie mit dem Kugelschreiber an. »Ich signiere das auf keinen Fall, Dex.«
»Mach schon. Ich bestehe darauf.« Er stand auf und tat, als müsse er zur Toilette. »Ich lasse es hier liegen, und du schreibst was rein. Etwas Persönliches, mit dem heutigen Datum, für den Fall, dass du richtig berühmt wirst und ich das Geld brauche.«
Dexter stand in der kleinen, stinkenden Kabine und fragte sich, wie lange er das noch durchhielt. An irgendeinem Punkt würden sie sich unterhalten müssen, es war verrückt, die ganze Zeit um den heißen Brei herumzureden. Er spülte unnötigerweise, wusch sich die Hände, wischte sie sich an den Haaren ab und ging zurück auf den Gehsteig, wo Emma gerade das Buch zuklappte. Er wollte die Widmung lesen, aber sie legte die Hand auf den Umschlag.
»Wenn ich nicht dabei bin, bitte.«
Er setzte sich, legte das Buch in die Tasche, und sie beugte sich vor, als wolle sie zum geschäftlichen Teil zurückkommen. »So. Und jetzt muss ich doch fragen, wie läufts denn bei dir?«
»Ach, fantastisch. Die Scheidung ist im September durch, kurz vor unserem Hochzeitstag. Fast zwei Jahre Eheglück.«
»Hast du oft mit ihr gesprochen?«
»Nicht, wenn ich es verhindern konnte. Ich meine, wir brüllen uns keine Beleidigungen mehr zu oder bewerfen uns mit Geschirr, jetzt heißt es nur noch, ja, nein, hallo, auf Wiedersehen. Mehr hatten wir uns während unserer Ehe allerdings auch nicht zu sagen. Hast du schon gehört, dass sie jetzt zu Callum gezogen sind? In seine lächerliche Villa in Muswell Hill, wo wir immer zu Dinnerpartys eingeladen waren …«
»Ja, habe ich gehört.«
Er sah sie scharf an. »Von wem? Callum?«
»Natürlich nicht! Nur, du weißt schon – von Bekannten.«
»Bekannte, die Mitleid mit mir haben.«
»Kein Mitleid, sie sind nur … besorgt.« Widerwillig rümpfte er die Nase. »Es ist nichts Schlimmes, wenn man sich Sorgen um dich macht, Dex. Hast du mit Callum geredet?«
»Nein. Er hats versucht. Hinterlässt mir ständig Nachrichten, als wär nichts gewesen. ›Alles klar, Kumpel! Ruf uns an.‹ Wir sollten seiner Meinung nach ein Bier trinken gehen und ›es durchsprechen‹. Vielleicht sollte ich hingehen. Er schuldet mir eh noch drei Wochenlöhne.«
»Hast du schon Arbeit?«
»Noch nicht. Wir vermieten das gottverdammte Haus in Richmond und die Wohnung, und davon lebe ich.« Er trank den Kaffee aus und starrte in den
Weitere Kostenlose Bücher