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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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erst 38, wo ist da die Gerechtigkeit, was ist mit mir, was soll ich jetzt tun, Barbara, sag mir, was ich jetzt tun soll? Abrupt bricht er ab.
    Barbara hält den Kopf gesenkt und starrt auf ihre Hände, die sie andächtig in den Schoß gelegt hat, als bete sie, und kurz glaubt er, seine Geschichte hat sie bewegt, diese wunderschöne Fremde, hat sie tief gerührt. Vielleicht betet sie für ihn, vielleicht weint sie ja sogar – er hat das arme Ding zum Weinen gebracht und verspürt tiefe Zuneigung für diese Barbara. Dankbar legt er die Hand auf ihre und entdeckt, dass sie eine SMS schreibt. Während er über Emma spricht, hat sie das Handy auf dem Schoß und simst. Plötzlich wallen Zorn und Abscheu in ihm auf.
    »Was treibst du da?«, fragt er mit zitternder Stimme.
    » Was? «
    Er schreit jetzt. »Ich habe gesagt, was zum Teufel treibst du da?« Er schlägt ihr das Handy aus der Hand, das über den Boden schlittert. »Ich hab mit dir geredet!«, brüllt er, aber sie brüllt zurück, nennt ihn einen Irren, einen Psycho, und winkt den Rausschmeißer heran. Es ist derselbe riesige Mann mit Ziegenbärtchen, der an der Tür so freundlich gewesen ist, aber jetzt schlingt er Dexter einen Arm um die Schulter, den anderen um die Taille, hebt ihn wie ein Kind hoch und trägt ihn durch den Raum. Köpfe drehen sich amüsiert zu ihm um, als Dexter ihr über die Schulter hinweg zugrölt, du dämliche, dämliche Kuh, du kapierst gar nichts , und er erhascht einen letzten Blick auf Barbara, die ihm beide Mittelfinger entgegenreckt und ihn auslacht. Der Notausgang wird aufgestoßen, und er landet mal wieder auf der Straße.
    »Meine Kreditkarte! Ihr habt meine Scheiß-Kreditkarte!«, schreit er, aber der Rausschmeißer lacht ihn nur aus, wie alle anderen auch, und schlägt die Notausgangstür zu.
    Wutschnaubend marschiert Dexter auf die Straße und winkt den vielen schwarzen Taxis zu, die nach Westen fahren, aber keines hält an, nicht, während er so auf der Straße herumwankt. Er holt tief Luft, begibt sich wieder auf den Gehsteig und überprüft, an eine Mauer gelehnt, den Inhalt seiner Taschen. Seine Brieftasche ist weg, genau wie seine Wohnungs-und Autoschlüssel. Wer auch immer seine Schlüssel und die Brieftasche hat, hat auch seine Adresse, sie steht auf seinem Führerschein, er muss die Schlösser auswechseln lassen, und Sylvie sollte morgen gegen Mittag vorbeikommen. Sie bringt Jasmine. Er tritt gegen die Mauer, lehnt den Kopf an die Ziegel, durchsucht wieder seine Taschen, findet einen zusammengeknüllten Zwanzig-Pfund-Schein in der Hosentasche, feucht vom eigenen Urin. Zwanzig Mäuse reichen, um sicher nach Hause zu kommen. Er kann die Nachbarn aufwecken, die Ersatzschlüssel nehmen und den Rausch ausschlafen.
    Aber zwanzig Mäuse reichen auch, um in die Stadt zu fahren und ein, zwei Drinks zu bestellen. Nach Hause oder Filmriss? Er zwingt sich, gerade zu stehen, hält ein Taxi an und fährt nach Soho.
    Durch eine schlichte, rote Tür in einer Seitengasse der Berwick Street betritt er eine illegale Untergrundspelunke, die er vor zehn, fünfzehn Jahren als allerletzten Ausweg benutzt hatte. Der schmierige, fensterlose Raum ist dunkel und verräuchert, die Leute trinken aus Plastikbechern oder Red-Stripe-Dosen. Er geht zum Resopaltisch hinüber, der als Bar fungiert, klammert sich an Leute, um nicht umzufallen, stellt aber fest, dass er kein Geld mehr hat, alles dem Taxifahrer gegeben und das Wechselgeld verloren hat. Er wird tun, was er immer getan hat, wenn er sein ganzes Geld verloren hat, sich das nächstbeste Getränk schnappen und herunterkippen. Er geht zurück in den Raum, ignoriert die Beleidigungen der Leute, die er anrempelt, nimmt eine scheinbar vergessene Bierdose, trinkt sie aus, greift dreist nach der nächsten, lässt sich in eine Ecke fallen, lehnt schwitzend mit geschlossenen Augen den Kopf an einen Lautsprecher, während das Bier ihm das Kinn hinunter aufs Hemd rinnt, und plötzlich legt jemand eine Hand auf seine Brust, drückt ihn in die Ecke und will wissen, was zum Teufel er da treibt, andern Leuten das Bier zu klauen. Er macht die Augen auf: Vor ihm steht ein alter Mann mit roten Augen, gedrungen wie eine Kröte.
    »Also, genau genommen gehört es mir«, sagt Dexter und kichert, weil die Lüge so unhaltbar ist. Der Mann bleckt die gelben Zähne und schüttelt die Faust, und Dexter wird klar, was er will: Er will, dass der Mann ihn zusammenschlägt. »Pfoten weg, du hässliche alte Missgeburt«,

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