Zwei an Einem Tag
Drinks nippen, dass er schon bereut, sie eingeladen zu haben. Sie sind so spießig und langweilig, begleiten ihn von Bar zu Bar, nicht wie gute Kumpels, sondern wie Krankenpfleger, halten ihn bei Laune und sorgen dafür, dass er nicht mit Leuten zusammenstößt oder sich den Hals bricht, als er aus dem Taxi fällt. Nun, allmählich reicht es ihm. Er muss Dampf ablassen, die Sau rauslassen, das hat er sich nach dem letzten Jahr verdient. Darum schlägt er vor, dass alle in einen Club gehen, den er von einem Junggesellenabschied her kennt. Ein Stripclub.
»Ohne mich, Dex«, sagt Maddy leicht entsetzt.
»Ach, komm schon, Maddy! Warum nicht?«, sagt er und legt ihr den Arm um die Schulter. »Sie hätte es so gewollt!«, lacht er, hebt das Glas, will trinken, verfehlt aber um etliche Zentimeter den Mund, so dass ihm der Gin auf die Schuhe schwappt. »Wird bestimmt lustig!« Maddy greift nach ihrem Mantel.
»Maddy, du Spaßbremse!«, ruft er.
»Ich finde wirklich, du solltest jetzt nach Hause gehen, Dexter!«, meint Pete.
»Aber es ist doch erst kurz nach Mitternacht!«
»Gute Nacht, Dex. Bis dann.«
Er folgt Maddy zur Tür, will, dass sie Spaß hat, aber sie ist aufgebracht und hat Tränen in den Augen. »Bleib doch, trink noch was!«, verlangt er und zieht sie am Ellbogen.
»Gib auf dich acht, ja? Bitte!«
»Lass uns Jungs doch nicht alleine!«
»Ich muss. Ich muss morgen den Laden aufschließen, schon vergessen?« Sie dreht sich um und nimmt seine Hände, schrecklich mitfühlend und verständnisvoll. »Sei … vorsichtig, okay?«
Aber er will kein Mitgefühl, er will noch einen Drink, deshalb lässt er abrupt ihre Hände los, geht zur Bar und wird außerordentlich schnell bedient, denn vor knapp einer Woche hat es Bombenanschläge auf öffentliche Verkehrsmittel gegeben. Fremde haben sich drangemacht, wahllos Menschen zu töten, und aller Tapferkeit und Courage zum Trotz hat man das Gefühl, die Stadt wäre im Belagerungszustand. Die Menschen haben Angst, auf die Straße zu gehen, deshalb hat Dexter keine Mühe, ein Taxi anzuhalten, das sie zur Farringdon Road bringt. Den Kopf an die Scheibe gelehnt, hört er, wie Pete und Jack mit den üblichen Ausflüchten einen Rückzieher machen: Es ist spät, sie müssen am nächsten Tag arbeiten. »Ich habe Frau und Kinder, wie du weißt!«, scherzt Pete; sie benehmen sich wie Geiseln, die um Freilassung betteln. Dexter merkt, wie die Feier sich auflöst, hat aber nicht die Kraft, es zu verhindern, deshalb lässt er das Taxi am King’s Cross anhalten und lässt die beiden frei.
»Wieso kommst du nicht mit, Dex, Kumpel? Ja?«, sagt Jack und späht mit dümmlich besorgtem Gesicht durch die Scheibe.
»Nö, mir gehts gut.«
»Wie wärs, wenn du bei mir übernachtest?«, sagt Pete, »auf dem Sofa schläfst?«, aber Dexter weiß, dass es nicht ernst gemeint ist. Weil Pete wie gesagt Frau und Kinder hat, weshalb sollte er sich ein Monster ins Haus holen wollen, das stinkend und bewusstlos auf dem Sofa herumliegt und flennt, während seine Kinder sich für die Schule fertig machen? Trauer hat Dexter Mayhew wieder einmal in einen Idioten verwandelt, kein Grund, seine Freunde damit zu belasten. Am besten umgab er sich heute Nacht nur mit Fremden. Er winkt ihnen zum Abschied und beauftragt den Taxifahrer, ihn in eine trostlose, verlassene Seitenstraße der Farringdon Road zu Neros Nachtclub zu bringen.
Schwarze Marmorsäulen zieren die Fassade wie ein Beerdigungsinstitut. Als er aus dem Taxi stolpert, fragt er sich besorgt, ob die Türsteher ihn überhaupt hereinlassen, auch wenn er eigentlich der perfekte Gast ist: gut gekleidet und sturzbesoffen. Liebenswürdig grinst Dexter den großen Mann mit dem kahlrasierten Kopf und dem Ziegenbärtchen an, händigt ihm das Geld aus und wird durch die Tür in den Hauptraum gewunken. Er tritt in die Dunkelheit.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ein Besuch in einer Stripbar einen verwegenen, postmodernen Touch gehabt, augenzwinkernd und erregend zugleich. Aber heute nicht. Neros Nachtclub ähnelt eher einer Business-Class-Abflughalle aus den frühen 80ern. Das blitzende Chrom, die niedrigen schwarzen Ledersofas und Plastiktopfpflanzen verströmen eine ausgesprochen kleinstädtische Dekadenz. Ein amateurhaftes Wandgemälde wie aus einem Schulbuch, das Sklavenmädchen mit Tabletts voller Trauben zeigt, ziert den hinteren Teil des Raumes. Hier und da sprießen römische Säulen aus Styropor, und über den Raum verteilt stehen flache
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