Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
Vom Netzwerk:
still in der Sonne vor sich hin, geborgen im einvernehmlichen Schweigen.
    Dexter brach es als Erster, seufzend legte er sich das Buch auf die Brust: Nabokovs Lolita , ein Geschenk von Emma, die für das Aussuchen der Urlaubslektüre verantwortlich war, ein großer Betonklotz von Büchern, eine mobile Bibliothek, die einen Großteil ihres Koffers einnahm.
    Ein Augenblick verging. Wieder seufzte er demonstrativ.
    »Was ist los?«, fragte Emma, ohne von Dostojewskis Idiot aufzusehen.
    »Ich kann nichts damit anfangen.«
    »Es ist ein Meisterwerk.«
    »Ich krieg davon Kopfweh.«
    »Ich hätte dir ein Bilder-oder Ausklappbuch mitbringen sollen.«
    »Ach, so schlecht ist es nicht …«
    » Die kleine Raupe Nimmersatt oder so …«
    »Ich finde es nur ein bisschen einseitig. Dieser Typ labert immer nur davon, wie geil er ist.«
    »Ich dachte, da kannst du dich gut reinversetzen.« Sie hob die Sonnenbrille. »Es ist ein hocherotisches Buch, Dex.«
    »Nur, wenn man auf kleine Mädchen steht.«
    »Weshalb wurdest du noch mal von dieser Sprachenschule in Rom gefeuert?«
    »Ich hab dir doch gesagt, sie war einundzwanzig, Em!«
    »Dann schlaf doch ein Ründchen.« Sie wandte sich erneut dem russischen Roman zu. »Spießer.«
    Er legte den Kopf auf den Rucksack, doch plötzlich standen zwei Leute neben ihm und warfen einen Schatten auf sein Gesicht. Das Mädchen war hübsch und nervös, der Junge groß und so blass, dass er in der Morgensonne fast schneeweiß aussah.
    »Tschuldigung«, sagte das Mädchen mit Midlands-Akzent.
    Dexter legte die Hand über die Augen und strahlte sie an. »Hallo, Leute.«
    »Sind Sie nicht der Typ aus ’m Fernsehen?«
    »Kann sein«, sagte Dexter, setzte sich auf und stieß die Sonnenbrille mit einer verwegenen kleinen Kopfbewegung nach hinten. Emma stöhnte leise.
    »Wie heißt es noch gleich? abfeiern! « Der Titel einer Fernsehsendung musste neuerdings klein geschrieben werden, wenn man Coolness groß schrieb.
    Dexter hob die Hand. »Schuldig im Sinne der Anklage!«
    Emma prustete, und Dexter warf ihr einen bösen Blick zu. »Witzige Stelle«, erklärte sie und deutete mit dem Kopf auf den Dostojewski.
    »Hab ichs doch gewusst, dass ich Sie aus ’m Fernsehen kenne!« Das Mädchen stieß seinen Freund an. »Hab ichs nich gesagt?«
    Der blasse Mann druckste herum, murmelte etwas und verstummte. Dexter wurde sich des Tuckerns der Maschinen und des Buches bewusst, das aufgeschlagen auf seiner Brust lag. Er ließ es unauffällig im Rucksack verschwinden. »Na, Urlaub?«, fragte er. Die Frage war eindeutig überflüssig, aber sie erlaubte ihm, in die Fernsehrolle des sympathischen, bodenständigen Typen von nebenan zu schlüpfen.
    »Ja, Urlaub«, murmelte der Mann.
    Wieder Schweigen. »Das ist Emma, eine Freundin von mir.«
    Emma spähte über die Brillengläser. »Hallo.«
    Das Mädchen musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Sind Sie auch aus ’m Fernsehen?«
    »Ich? Gott, nein.« Das Mädchen verlor das Interesse. »Aber ich träume davon.«
    »Emma arbeitet für Amnesty International«, sagte Dexter stolz und legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Zeitweise. Hauptsächlich arbeite ich in einem Restaurant.«
    »Sie leitet es. Aber sie hört demnächst auf. Ab September studiert’se Lehramt, stimmts nich, Em?«
    Emma sah ihn durchdringend an. »Wieso sprichst du so komisch?«
    »Was meinste?« Dexter lachte abwehrend, aber das junge Paar trat unbehaglich von einem Bein auf das andere, und der Mann sah zur Reling, als würde er einen Sprung über Bord ernsthaft in Erwägung ziehen. Dexter beschloss, das Gespräch zu beenden. »Schön, dann sehen wir uns am Strand, ja? Können ja mal ’n Bierchen kippen, ne?«, und die beiden lächelten und gingen wieder zu ihrer Bank.
    Dexter hatte es nicht darauf angelegt, berühmt zu werden, aber er wollte immer erfolgreich sein, und was nützte der Erfolg, wenn ihn keiner sah? Die Leute sollten davon erfahren. Jetzt, da der Ruhm da war, machte er in gewisser Weise Sinn, als sei er die natürliche Fortsetzung seiner Beliebtheit in der Schule. Er hatte es auch nicht darauf angelegt, TV-Moderator zu werden – wer hatte das schon –, war aber hocherfreut, als man ihn ein Naturtalent nannte. Zum ersten Mal vor der Kamera zu stehen, war für ihn, wie zum ersten Mal Klavier zu spielen und dabei zu entdecken, dass man ein Virtuose ist. Die Show selbst war weniger tiefgründig als andere, an denen er mitgearbeitet hatte, im Grunde nur eine Aneinanderreihung von

Weitere Kostenlose Bücher