Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
Vom Netzwerk:
ist schon seit Monaten in der Ausstellung, deshalb gehe ich davon aus, dass es Tausende gesehen haben.»
    «So viele Menschen, und alle schauen mein Krok an.» Mary lächelte und blickte mit strahlenden Augen aufs Meer hinaus, als sähe sie am Horizont die Museumsbesucher Schlange stehen und darauf warten, was sie als Nächstes finden würde.

V
    Wir werden uns in Fossilien verwandeln
    und für immer am Strand bleiben
    D as Krokodil hat alles verändert. Manchmal versuche ich mir mein Leben ohne die Riesenbestien vorzustellen, die sich in den Klippen und Felsbändern verstecken. Hätte ich nur Ammos und Belis, Lilien und Gryphies gefunden, wäre mein Leben so bedeutungslos wie diese Kuris geblieben. Mich hätten keine Blitze mehr durchzuckt, die mein Innerstes nach außen stülpten und mir beides gleichzeitig bereiteten – Freude und Schmerz.
    Es war nicht nur das Geld, das ich für das Krok bekam, es war noch etwas anderes: Ich hab plötzlich gewusst, dass es etwas gibt, wonach ich suchen muss, und dass ich das besser kann als die meisten anderen Menschen. Das war die große Veränderung. Seit dem Tag hab ich nach vorn geschaut und dort mehr gesehen als nur irgendwelche durcheinander liegenden Steine. Ich hab ein Muster für mein Leben gesehen.
    Als uns Lord Henley die dreiundzwanzig Pfund für das komplette Krokodil gab, hatte ich viele Wünsche: Ich wollte so viele Säcke Kartoffeln kaufen, dass sie übereinandergestapelt bis unter die Decke reichten, und mehrere Ellen Wollstoff, um Kleider für Mam und mich zu nähen. Ich wollte täglich süßen Kuchen essen und so viel Kohle verheizen, dass der Kohlenmann jede Woche kommen musste, um die Vorräte im Kohlenverschlag aufzufüllen. Das waren meine Wünsche, und ich dachte, meine Familie hätte dieselben.
    Nach dem Geschäft mit Lord Henley kam eines Tages Miss Elizabeth vorbei, um mit Mam zu sprechen. Sie hat sich mit ihr und Joe an den Küchentisch gesetzt, aber sie haben sich nicht über Wolle, Kohle oder süße Kuchen unterhalten, sondern über Arbeit. «Das Beste für die ganze Familie wäre meiner Meinung nach, wenn Joseph eine Lehre machen würde», hat Miss Elizabeth gesagt. «Jetzt können Sie sich das Lehrgeld leisten. Zögern Sie nicht lange. Für welches Handwerk er sich auch entscheidet, er wird damit ein geregelteres Einkommen haben als mit dem Verkauf von Fossilien.»
    «Aber Joe und ich wollen doch noch mehr Kroks finden», unterbrach ich sie. «Damit können wir genug Geld verdienen. Es gibt noch viele andere reiche Leute wie Lord Henley, die jetzt, wo er eins hat, auch ein Krok wollen. Denken Sie nur an all die feinen Herren in London, die schon mit ihren Geldscheinen winken. Wir müssen nur noch was finden.» Zum Schluss hab ich sogar angefangen zu schreien, weil ich doch meinen großen Plan verteidigen musste, mit dem Suchen und Finden von Kroks reich zu werden. Und dazu brauchte ich Joe.
    «Halt den Mund, Mädchen», sagte Mam, «und lass dich von Miss Philpot zur Vernunft bringen.»
    «Mary», fing Miss Elizabeth an, «du weißt doch gar nicht, ob es noch mehr solche Fossilien …»
    «Doch, ich weiß es, Ma’am. Denken Sie nur an all die kleinen Teile, die wir schon gefunden haben, an die Wirbel und Zähne, die Rippen- und Kieferstücke. Nur haben wir bislang nicht gewusst, wo sie herkommen. Jetzt wissen wir es! Seit wir den vollständigen Körper haben, wissen wir, wo die einzelnen Stücke hingehören und wie er aussehen muss. Ich hab eine Zeichnung von dem Fund gemacht, damit wir immer vergleichen können. Sicher gibt es in den Klippen und Felsbändern noch jede Menge Kroks!»
    «Warum hast du dann bis jetzt noch nie eins gefunden, wenn es so viele gibt?»
    Ich funkelte Miss Elizabeth böse an. Immer war sie gut zu mir gewesen. Ich durfte Kuris für sie reinigen, sie hat mir Essen, Kerzen und alte Kleider geschenkt und mich ermuntert, in die Sonntagsschule zu gehen, damit ich Lesen und Schreiben lerne. Sie hat mir ihre Funde gezeigt und sich auch für meine interessiert. Wenn sie die Day-Brüder nicht bezahlt hätte, hätten wir das Krok niemals aus der Klippe herausbekommen. Und sie hat Mam bei den Verhandlungen mit Lord Henley geholfen.
    Warum musste sie mir dann jetzt, wo mein Jagen richtig aufregend wurde, in den Rücken fallen? Elizabeth Philpot konnte sagen, was sie wollte – ich wusste, dass die Riesenbestien da waren. «Bis jetzt haben wir nicht gewusst, wonach wir suchen», wiederholte ich. «Wir wussten nicht, wie groß das Tier

Weitere Kostenlose Bücher