Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland
aus unserer Sicht haben wir zu wenig. Gar keine, genau genommen, wenn man davon absieht, dass wir uns schon darüber freuen, wenn wir bei Veranstaltungen das Wasser nicht aus dem Hahn trinken müssen und man uns nicht mit den Worten vorstellt: »Die Autoren von ›Milchgrund‹ und ›Seespiel‹!« Wir fordern keine weißen Blumen in unserer Garderobe, keine Tänzerinnen, die mit weißen Kleidern, auf denen weiße Blumen aufgestickt sind, auf unseren weißen Garderobentischen tanzen. Ja, manchmal beschränkt sich unsere Garderobe sogar auf einen Haken an der Wand – immerhin ist die meistens weiß.
Auch Interviews geben wir, trotz der damit verbundenen Fragerei, mit großer Geduld – bis auf dieses eine Mal, als ein Münchner Privatradio anrief, Radio Schubidu oder Ballaballa oder so, nein, jetzt weiß ich’s: Charivari (was übrigens laut Wikipedia so viel heißt wie Katzenmusik), und uns fragte: »Wie heißen Sie eigentlich? Was schreiben Sie denn für Bücher? Und worum geht’s da überhaupt, können Sie das mal in zwei Sätzen erklären?« Also, da fühlte ich mich in meinem journalistischen Berufsethos gekränkt, denn wenigstens die Namen kann man ja vorher im Internet googeln, selbst als hauptberufliche Radiopraktikantin.
Die Autoren im Gespräch mit Saddam Hussein … nein, stopp, richtig muss es heißen: Die Autoren im Gespräch mit Ulrich Kienzle, der wo Saddam Hussein mal interviewt gehaben tut und sich dabei gleich Tipps für die richtige Bartpflege geholt hat.
Hingebungsvoll beim Signieren im Rahmen der allerersten Premierendebütlesung des Erstlingsmachwerkes Milchgeld vor geschätzten dreihundert und gezählten dreizehn Zuhörern (Szene wegen des geringen Andrangs beim Signieren nachgestellt).
Der Gesundheitsminister warnt: Kässpatzen machen nicht nur satt, sondern auch dick, und man fühlt sich gern einmal etwas überfressen.
Aus unserer Sicht haben wir also viel zu wenig von dem, worüber Boulevardmedien so gerne berichten, was uns in eine gewisse Bredouille bringt, weil unsere Texte wiederum zu wenig von dem haben, wovon die seriösen Medien so gerne berichten.
Ausweg also: Allüren!
Damit befänden wir uns in bester Gesellschaft. Zwei Fälle sind mir jüngst begegnet. Der erste ist, ungewöhnlich genug für einen Prominenten, Kriminalbiologe, also Leichen-auf-Spuren-Untersucher, heißt Mark Benecke, hat, ungewöhnlich genug für einen Kriminalbiologen, Fans, die ihn Dr. Made nennen – und benimmt sich auch so. Wie jemand mit Fans, meine ich. Bevor man ihn interviewen darf, was ich vorhatte, muss man sich einen vier Seiten langen Vertrag von seiner Homepage downloaden, den man »in großen schwarzen Druckbuchstaben« auszufüllen hat, sonst – so droht es in jedem zweiten Satz – werde sich der Herr der Fliegen nicht einmal die Mühe machen, das Gespräch abzusagen. Der Vertrag enthält dann so hilfreiche Punkte wie Ziffer 14 (!), in der in großen schwarzen Druckbuchstaben steht:
» ACHTUNG, DAS HANDY MUSS AM TAG DER VERANSTALTUNG EINGESCHALTET SEIN, SONST IST DIE NUMMER NICHT ERREICHBAR .« Gut, dass das auch endlich mal jemand klarstellt.
Okay, der Mann hat viel mit Leichen zu tun, das darf man nicht vergessen, ehe man vorschnell urteilt. Immerhin: Nach Ziffer 21 und der Schlusserklärung des Vertrages bekennt Herr Benecke »Ich freue mich sehr auf unseren Termin«. Die meisten dürften da schon aufgegeben haben.
Weniger mit Leichen, aber doch mit Dahinsiechenden hatte das zweite Prominenten-Beispiel zu tun, immerhin war das ein Arzt und hat ein Buch über sein Organ geschrieben, ich meine die Leber: Dr. Eckart von Hirschhausen. Ernsthaft: Adels- und Doktortitel, das wäre auch für jeden normalen Menschen schwer zu verarbeiten, das ist sozusagen Langhammer hoch zwei. Hirschhausen hält interviewwillige Journalisten wenigstens nicht für blöd, dafür aber für grundsätzlich böse und verschlagen, will er doch den ganzen Artikel noch mal gegenlesen und eventuell sprachlich veredeln (wofür ihm manche Kollegen tatsächlich dankbar sein sollten). Sind sie aber nicht, was möglicherweise auch daran liegt, dass sie, sollten sie vorhaben, ein Foto von Herrn Hirschhausen zu machen, einen Maskenbildner mitbringen müssen.
Da hat der lustige Herr Doktor wohl ein bisschen zu viel am Lachgas geschnüffelt.
Oder aber, und damit greife ich jetzt den Gedanken vom Anfang wieder auf, er macht etwas grundsätzlich richtig, was wir bisher grundsätzlich versäumt haben. Hinweis auf die
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