Zwei Frauen: Roman (German Edition)
genügt. – Die Operation ist vorläufig angesetzt für den 10. Januar 1978, acht Uhr morgens!«
Während Behringer fast aus der Rolle fiel, war ich nur sprachlos. Mennert hatte also von vornherein gewusst, wie ich mich entscheiden würde, und mich schon auf den OP -Plan setzen lassen. Als ich ihn jetzt darauf ansprach, grinste er über das ganze Gesicht.
»Sogar die Crew steht schon fest«, sagte er. »Sie bekommen das beste Team, das dieses Haus zu bieten hat.« Dann beugte er sich zu mir herunter. »Ich hätte mich an Ihrer Stelle genauso entschieden«, flüsterte er mir ins Ohr, »obwohl … Ihr Mut ehrt Sie, aber es grenzt an Wahnsinn.« Er gab mir einen Klaps auf die Wange. »Alles Weitere klären wir in den nächsten Tagen!«
Während Mennert daraufhin ging und ihm die anderen Ärzte folgten, blieben Daniela und Doktor Behringer zurück. Er schüttelte verständnislos den Kopf, sie trat freudestrahlend an mein Bett und gab mir einen Kuss.
»Bravo!«, meinte sie dann. »Ich wusste doch, dass du ein mutiges Mädchen bist.«
»Mutig?«, knurrte Behringer missbilligend.
»Jawohl, Herr Doktor«, erwiderte Daniela. »Angst ist normal, aber wenn ich daran erinnern darf, was der Philosoph Jean Paul darüber gesagt hat …«
»Was hat der denn gesagt, Frau Diplompsychologin?«, fragte Behringer.
»Der Furchtsame hat Angst vor der Gefahr – so wie Sie! Der Feige in ihr –«
»So wie Sie?«
»Kann schon sein! Aber der Mutige …«
»Jetzt bin ich aber mal gespannt«, zischte Behringer. Daniela lächelte. »Der hat sie nach ihr, Herr Doktor. Und Sie werden es nicht glauben: Das ist früh genug.«
Es vergingen noch einige Tage, bis Behringer, der ja sicher auch eines Tages mal Oberarzt werden wollte, sich der Meinung von Professor Mennert anschloss.
Ich selbst verbrachte auch dieses Jahr Weihnachten wieder in der Klinik. Als meine Eltern mich besuchten, zeigte ich ihnen stolz meine neue Haarpracht: Endlich war mein Haar wieder auf Streichholzlänge nachgewachsen. »Ich hatte schon gefürchtet, das würde nie mehr was«, rief Professor Mennert freudig, als er das sah.
An einem der ersten Tage im neuen Jahr besuchte mich Großmutter. Schon seit Tagen hatte ich mit diesem Besuch gerechnet. Schließlich kannte ich sie nur zu gut. Ihr Vertrauen in mein Durchhaltevermögen war nicht sonderlich groß, daher ging sie davon aus, dass ich, Spross einer »schlappen« Generation, diese Operation nicht überlebte.
»Und deshalb müssen wir klären, was in diesem Fall mit deinem Vermögen geschieht, Eva, mit den Aktien und Wertpapieren, die du bekommen hast, als du volljährig wurdest, mit den Depositen, die ich dir –«
»Papa und Mama sollen es bekommen!«, fiel ich ihr ins Wort.
»Zu gleichen Teilen?«
»Zu gleichen Teilen, Oma. Und ansonsten …«
Ich nahm das mehrseitige Schriftstück aus dem Nachttisch, das ich in weiser Voraussicht schon Tage zuvor abgefasst hatte, und gab es ihr.
»Was ist das?«, fragte sie sofort.
»Mein Testament!«
»Was? Soll das bedeuten, dass du dir einbildest, irgendeiner deiner Bekannten hätte eine Erbschaft verdient?«
Ich schmunzelte. »Das bilde ich mir nicht ein«, sagte ich.
»Aber?«
»Lies es doch selbst!«
Sie tat es zwar nur ungern, aber ich konnte sehen, wie sich ihre Gesichtszüge bei jedem Wort mehr und mehr erhellten. Mein Testament war nämlich ganz nach ihrem Geschmack.
Zwei Menschen wurden darin bedacht, Hilary und Frau Gruber, denn beide hasste ich über alle Maßen. Die »liebste« Hilary sollte im Falle meines Ablebens meinen Schmuck bekommen. Sie hatte ihn immer sehr bewundert. Nachdem sie sich mir gegenüber so mies benommen hatte, sah ich darin eine gelungene Rache. Sie würde sich schämen, und
all das Gold und die Steine würden ein Leben lang auf ihrer schönen Haut brennen. Die »beste« Frau Gruber traf es noch ärger. Ihr sollte ein Teil meiner Wertpapiere zufallen, und zwar im Rahmen einer Stiftung. Das Geld sollte fest angelegt werden, um aus den Erträgen die Ausbildung von Mädchen zu finanzieren, denen eigene Mittel fehlten. Auf diese
Weise würde sich meine so innig geliebte Ballettmeisterin stets an mich erinnern und begreifen, dass nur sie mich vergessen hatte – ich hatte bis zum letzten Atemzug an sie gedacht.
Meine Großmutter blinzelte mir listig zu. »Die Idee ist gut«, sagte sie dann, »nur musst du bedenken, dass du es hier mit zwei Individuen zu tun hast, die weder intelligent noch sensibel sind. Dieses Fräulein Johnson ist
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